Acht Schwachpunkte geortet
Die OECD stellt zusammenfassend folgende acht Schwachpunkte
fest, bei denen dringlicher Reformbedarf bestehe: Erstens gebe es
keinerlei zentrale Vision betreffend die langfristigen
Zielsetzungen der Politik für die wirtschaftliche und
gesellschaftliche Zukunft des Landes, aber auch für die kurz- und
mittelfristigen Maßnahmen, die zu ergreifen wären. Zweitens würden
die politische Kultur und die Kultur der öffentlichen Verwaltung
mit schwacher Zentralautorität, unübersichtlicher Gesetzeslage,
schlechter Datenlage und ungenügenden Kontrollmechanismen
Korruption und Klientelismus Vorschub leisten. Drittens wurde die
mangelnde Koordination der Ministerien untereinander kritisiert.
Viertens hapere es an der vertikalen Umsetzung politischer
Beschlüsse durch die Verwaltung. Punkt fünf der Mängelliste
betrifft die mangelnde Budgetkontrolle in den einzelnen
Ministerien. Sechstens: ein schlechtes Personalmanagement mit
„kopflastiger" Verwaltungshierarchie ohne klare Trennung von der
Politik (Besetzung von Ämtern nach Parteibuch) sowie, als
unmittelbare Folge, ein aufgeblähter Apparat – oft mit
„Geisterabteilungen", die nur mit dem Abteilungsleiter besetzt sind
– und geringe interne Mobilität. Siebtens: mangelnde bis nicht
vorhandene Erhebung und Verwaltung von Daten, die als Grundlage für
politische Entscheidungen dienen könnten. Sowie achtens eine
Unmasse von Gesetzen und Vorschriften, die eine rasche
Entscheidungsfindung in der Verwaltung erheblich erschweren würden
und Verfahrensfragen über die Umsetzung substanzieller Politik
erheben würden.
Die OECD sieht als einzigen Ausweg, die Axt an die Wurzel zu legen
und den griechischen Staat zunächst einmal selbst in einer
„Big-Bang-Reform" radikal umzukrempeln. Die Organisation empfiehlt
dazu unter anderem die Schaffung eines zentralen, schlagkräftigen
Stabes um den Premierminister, der die Kompetenz hat, eine
gemeinsame, für alle verbindliche Politik zu formulieren, bei den
Ministerien durchzusetzen und nach außen zu kommunizieren. In
diesem Zusammenhang seien eine bessere Koordinierung der
Regierungsstellen untereinander und die bessere interne Kontrolle
der Umsetzung von Reformen dringend geboten. Ferner müsse es neue
Strategien für das Humanpotenzial geben, die nicht nach politischen
sondern nach Leistungskriterien vorgehen. Die mittlere
Verwaltungsebene müsse gestärkt werden. Außerdem seien eine bessere
Budgetkontrolle, die Verbesserung der Datenerhebung und -verwaltung
sowie nicht zuletzt die radikale Entschlackung des aufgeblähten
Gesetzesapparates dringend erforderlich.
Ein etwas lauer Kommentar
Ob dies angesichts der offenkundigen Unwilligkeit des
politischen Systems überhaupt durchzusetzen ist, darf mit Recht
hinterfragt werden. Die erste Reaktion aus dem griechischen
Finanzministerium war laut einem Artikel in „Die Welt" eher lau:
Der Bericht sei „sehr interessant", das Land brauche aber
„Lösungen, keine Feststellungen". Dass die OECD Lösungen anbietet,
wird dabei geflissentlich übersehen, denn diese gehen gegen die
ureigensten Interessen von Politikern, die traditionell ihre Ämter
als Pfründe sehen und die Partei über das Land stellen – wie man
nicht zuletzt an der Zahl der Minister und Staatsekretäre des
Drei-Parteien-„Reformkabinetts" Papadimos sieht. (Text: GZak, Foto:
Eurokinissi, Archiv. Diese Aufnahme entstand beim 17. Treffen der
OECD-Außenminister am 1. Dezember 2009)