Login RSS

Kreditvertrag abgesegnet – Parteien im Dilemma Tagesthema

  • geschrieben von 
Kreditvertrag abgesegnet – Parteien im Dilemma
Das griechische Parlament verabschiedete in der Nacht von Sonntag auf Montag mit großer Mehrheit ein neues Sparprogramm. Die offizielle Parteilinie ignorierten jedoch nicht wenige Funktionäre. 199 Abgeordnete (der insgesamt 300) stimmten für den Kreditvertrag mit den internationalen Gläubigern sowie den Schuldenschnitt, 74 mit „Nein", 5 votierten mit „anwesend". Am Rande von Protesten kam es zu schweren Ausschreitungen. Mehrere Gebäude im Zentrum Athens gingen in Flammen auf, Geschäfte wurden geplündert.
rt.

Im griechischen Parlament debattierten die Abgeordneten am Sonntag über den neuen Kreditvertrag mit den Gläubigern Athens (Europäische Kommission, Internationaler Währungsfonds, Europäische Zentralbank) in Höhe von 130 Mrd. Euro sowie den Schuldenschnitt (PSI) in Höhe von zirka 100 Mrd. Euro; beide „Finanzspritzen" sind mit Reformen sowie einem harten Sparprogramm verbunden (Rentenkürzungen, Reduzierung des Mindestlohns usw.).
Am Rande friedlicher Proteste zehntausender Demonstranten kam es gleichzeitig seit den Abendstunden des Sonntag zu gewaltsamen Zusammenstößen. Gewaltbereite Gruppen zerstörten zahlreiche Geschäfte; mindestens 47, auch historische klassizistische Gebäude, im Zentrum, gingen in Flammen auf. Dazu gehörten u. a. die  Kinos Attikon, Trianon und Büros der Alpha Bank sowie der Bank of Cyprus.
Darüber hinaus kam es im weiteren Bereich der Stadtmitte zu Plünderungen. Darunter befand sich auch ein Waffenladen am Omonia-Platz.
Angesichts der Zerstörungen wurde der Ruf nach dem Rücktritt des Ministers für die Öffentliche Ordnung, Christos Papoutsis, laut. Insgesamt mussten mehrere Dutzend Personen wegen Verletzungen in Krankenhäuser eingeliefert werden; ebenso 68 Polizisten. Demonstrationen gegen die Rotstiftpolitik fanden auch in anderen Städten des Landes statt (Thessaloniki, Heraklion, Korfu, Volos und Agrinio). Im Rahmen der Proteste wurden mehrere politische Büros von Parlamentariern attackiert. Insgesamt hat die Polizei landesweit 67 Personen verhaftet und 75 vorübergehend festgenommen.
Am heutigen Montagmorgen waren die Aufräumungsarbeiten in der Hauptstadt noch nicht abgeschlossen. Die zentrale Stadiou-Straße blieb gesperrt. Viele Passanten rund um den Syntagma-Platz pressten Taschentücher vor das Gesicht; Tränengasgeruch war noch stark zu spüren. Verbrannte Bushaltestellen, Marmorteile von Gebäuden, herausgerissene Geländer – noble Geschäftsstraßen mit den Spuren der Verwüstungen vom Vortag.

„Weg in die Katastrophe"

Premierminister Loukas Papadimos hatte noch am Samstagabend in einer Ansprache an die Nation davor gewarnt, dass eine Nichtunterzeichnung des Kreditvertrages für das Land den Bankrott bedeuten würde, das Verlassen der Eurozone und einen „Weg in die Katastrophe". In den Positionen der Opposition habe er keine realistische Alternative erkennen können, so Papadimos. Diese Argumente wiederholte er auch in der abschließenden Rede vor dem Parlament in der Nacht vom Sonntag auf Montag. Er nannte das mit den internationalen Geldgebern ausgehandelte Programm hart und räumte ein, dass es der griechischen Bevölkerung  Opfer abverlange. Seine Umsetzung sei aber Voraussetzung für das Wachstum der Wirtschaft und die Überwindung der Krise.
Mehrere Abgeordnete der beiden Parteien, die die Übergangsregierung unterstützen – der sozialistischen PASOK und der konservativen Nea Dimokratia (ND) –, hatten im Vorfeld deutlich gemacht, dass sie gegen das neue Sparpaket stimmen werden.
14 von der PASOK und 20 von der ND votierten schließlich mit „Nein". Die rechtspopulistische LAOS hatte bereits vorige Woche ihre Unterstützung für die Regierung des Technokraten  Papadimos zurückgezogen. Sowohl PASOK-Chef Jorgos Papandreou als auch der ND-Vorsitzende Antonis Samaras hatten ihre Fraktionen auf das neue Sparprogramm eingeschworen. Die „Abtrünnigen" wurden von ihren Parlamentsfraktionen ausgeschlossen. Dabei handelt es sich insgesamt um 22 Abgeordnete von der PASOK und 20 von der ND, die entweder mit „Nein" stimmten, nicht anwesend waren oder mit „anwesend" votiert haben. Der Verlust einer derart großen Anzahl von Parlamentariern wird für die beiden seit 1974 dominierenden Parteien noch weitere Folgen nach sich ziehen.
Die LAOS verließ während der Abstimmung das Plenum. Zwei Abgeordnete, der am Freitag zurückgetretenen Infrastrukturminister Makis Voridis sowie der ebenfalls am Freitag zurückgetretene Staatssekretär im Ministerium für Regionalentwicklung, Adonis Gergiadis jedoch blieben zurück und stimmten mit „Ja": Sie wurden daraufhin von der LAOS-Parlamentsfraktion ausgeschlossen. Insgesamt haben 278 Parlamentarier an dem  Votum teilgenommen. 199 stimmten schließlich für den Kreditvertrag, 74 dagegen, fünf mit „anwesend". 
Griechenland durchlebt die schwerste Krise seit 1974 (Wiederherstellung der Demokratie), manche meinen sogar seit Ende des Bürgerkriegs 1949. Das Land befindet sich im fünften Jahr der Rezession, die Arbeitslosenrate hat 21 Prozent erreicht. Mehr als eine Million Griechen sind ohne Job. Das Vertrauen in die politische Elite des Landes befindet sich auf einem historischen Tiefpunkt.  Voraussichtlich im April sollen vorverlegte Neuwahlen durchgeführt werden. (Griechenland Zeitung/as; Foto: eurokinissi)

Nach oben

 Warenkorb