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„Keine Steuergerechtigkeit“: Griechenlands neuer Finanz-Weg im Jahr 2024 Tagesthema

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Unser Archivfoto (© Eurokinissi) entstand im Parlamentsgebäude. Unser Archivfoto (© Eurokinissi) entstand im Parlamentsgebäude.

Griechenlands Finanzen befinden sich in einer Art Umstrukturierung. Am Sonntag (17.12.) soll der Haushaltsplan 2024 verabschiedet werden. Es ist das erste Budget seit 13 Jahren, bei dem die griechische Wirtschaft über eine Anlagebonität verfügt; dem vorangegangen war eine im Jahr 2010 ausgebrochene Finanz- und Wirtschaftskrise, die mit vielen Eingriffen seitens der internationalen Geldgebern verbunden war.

Die Regierung in Athen ist optimistisch, was die ökonomische Entwicklung des Landes betrifft. Sie erwartet im diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von 2,5 %; im kommenden Jahr soll es auf 2,9 % steigen. Gleichzeitig sollen die Investitionen im kommenden Jahr um 15,1 % zulegen.
Auch bei der Staatsverschuldung zeichnen sich respektable Entwicklungen ab. Diese sollen im nächsten Jahr von derzeit 160,5 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP) auf 152,2 % abgebaut werden. Die Arbeitslosigkeit wird voraussichtlich auf bis zu 9,3 % sinken. Auch wenn das noch hoch ist: Vor zehn Jahren, mitten in der Krise, lag sie noch bei rund 27,5 %.

Gesetz zur Sozialversicherung
Anfang nächster Woche soll auch eine Gesetzesnovelle über die Sozialversicherung das Parlament passieren. Darin ist zum Beispiel vorgesehen, dass Frauen, die als Freiberuflerinnen oder Landwirtinnen tätig sind, Mutterschaftsgeld erhalten, wenn sie ein Kind zur Welt bringen. Für einen Zeitraum von neun Monaten soll ihnen der Mindestlohn gezahlt werden.
Angehoben werden soll zudem das allgemeine Lohnniveau. Arbeitsminister Adonis Georgiadis brachte zum Ausdruck, dass bis zum Jahr 2027 ein Monatslohn von etwa 1.500 Euro im Privatsektor die Norm sein werde. Bereits im kommenden Jahr könnten rund 100.000 Angestellte in der Privatwirtschaft mit Gehaltserhöhungen rechnen.

Kampf gegen Steuerhinterziehung
Unterdessen wurde Ende voriger Woche auch eine Gesetzesnovelle verabschiedet, die sich gegen die Steuerhinterziehung richtet. Dafür hatten 158 Abgeordnete der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) gestimmt; die Opposition war geschlossen dagegen. Transaktionen für den Kauf einer Immobilie dürfen demnach künftig nur noch auf elektronischem Wege durchgeführt werden. Nicht zuletzt werden härtere Maßnahmen für die Bekämpfung des Treibstoffschmuggels zur Anwendung kommen, außerdem werden Kurzzeit-Vermietungen des Stils Airbnb erschwert. Wer mehr als drei solcher Immobilien vermietet, wird wie ein Unternehmen besteuert.
Vor allem aber wurden einschneidende Maßnahmen bei den Freiberuflern gesetzlich festgeschrieben. Die Finanzbehörden werden ab dem 1. Januar automatisch davon ausgehen, dass die Betreffenden wenigstens den Mindestlohn für sich als Gewinn erwirtschaften und werden dementsprechend besteuert. Mit anderen Worten: Es wird ein Referenzwert in Höhe von 10.920 Euro pro Jahr festgelegt. Die Regierung verspricht sich dadurch eine Eindämmung der Steuerhinterziehung. Bisher hatten viele Freiberufler sehr geringe Einkommen deklariert. Mit der neuen Regelung soll deren Beitrag zum BIP immerhin von derzeit 0,8 % auf 1,1 % steigen. – Im europäischen Durchschnitt ist das noch immer relativ wenig; der Wert liegt hier bei 2,2 %.

Kritische Stimmen der Opposition
Seitens der Opposition wurden diese Maßnahmen heftig kritisiert. Der SYRIZA-Abgeordnete aus Thessaloniki Christos Giannoulis stellte fest, dass die Regierung mit dieser Gesetzesnovelle zugebe, dass sie bei der Steuerhinterziehung „komplett versagt“ habe: die „großen Steuerhinterzieher“ würden „komplett ignoriert“ und nur die Freiberufler würden „ohne jegliche Kriterien“ ins Blickfeld gerückt. Absolut ersichtlich sei hingegen der Wille der Regierung „das kleine Unternehmertum zu zerstören“. Ähnlich äußerte sich der SYRIZA-Parlamentarier aus Magnisia Alexandros Meikopoulos: „Die Regierung will mit diesem Gesetz Geld einkassieren und nicht die Steuerhinterziehung bekämpfen.“ Seiner Ansicht nach würden diejenigen, die tatsächlich ihre Einnahmen vor dem Fiskus verstecken würden, dies auch weiterhin tun. Obendrein würden aber alle Freiberufler über einen Kamm geschoren und per se als Steuerhinterzieher behandelt.

„Keine Steuergerechtigkeit“
Der Vorsitzende der SYRIZA-Parlamentsfraktion Sokratis Famellos machte darauf aufmerksam, dass im laufenden Jahr zwei große Raffinerien Einnahmen in Höhe von 2,6 Milliarden Euro erwirtschaftet hätten und dafür so gut wie nicht versteuert worden seien. Steuern gezahlt hätten sie lediglich für Einnahmen in Höhe von 650 Millionen Euro, so Famellos. Er fügte hinzu, dass ganz ähnliche Vergünstigungen für Stromerzeuger und Banken gelten würden. Der SYRIZA-Parlamentarier fasste zusammen: „In der Praxis arbeiten zehn Millionen Griechen, und am Ende haben nur zwei Raffinerien, vier Banken, vier Stromgesellschaften und möglicherweise einige Supermarktketten Gewinne.“ „Auf jeden Fall“, fügte Famellos hinzu, „gibt es keine Steuergerechtigkeit in Griechenland“. Seine Parteigenossin aus Arta Olga Gerovassili stimmte dem zu: „Das Gesetz bekämpft die Steuerhinterziehung nicht, es legalisiert sie!“

„Unzuverlässige Regierung“
Ähnlich interpretierte auch die sozialistische PASOK die Gesetzesnovelle. Katerina Spyridaki, Parlamentarierin aus Lassithi auf der Insel Kreta, konstatierte, dass die Gesetzesnovelle „für die kleinen und mittleren Unternehmen unfair“ sei, außerdem sei sie ein Beweis für die Unzuverlässigkeit der griechischen Regierung. Sie fügte hinzu, dass diese Maßnahmen den Fiskus zwar mit etwa 600 Millionen Euro stärken sollen; die Steuerhinterziehung werde jedoch parallel dazu die Grenze von zehn Milliarden Euro bei weitem überschreiten. Der PASOK-Parlamentarier vom Dodekanes Jorgos Nikitiadis gab zu bedenken, dass die Regierung im Jahr 2024 insgesamt 48 Milliarden Euro erwirtschaften wolle; lediglich fünf Milliarden Euro davon stammten von großen Unternehmen.
Zu Wort meldete sich auch der Generalsekretär der kommunistischen KKE Dimitris Koutsoumpas. Er kritisierte eine „neue Attacke der Regierung gegen die Freiberufler“. Das Wort „Steuergerechtigkeit“ sei angesichts dieser Regierung „ein Witz“.
Der Vorsitzende der faschistischen Partei Spartiates Vassilis Stingas gab zu bedenken, dass viele Griechinnen und Griechen mit 400 bis 600 Euro pro Monat auskommen müssten. Die patriotische Partei Niki erklärte, dass diese Gesetzesnovelle gegen die Verfassung verstoße. Und die Partei Plevsi Eleftherias sprach davon, dass die „Steuerpflichtigen und nicht die Steuerhinterziehung bekämpft werden“. (Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)

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