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Tragischer Femizid vor Polizeistation in einem Vorort Athens Tagesthema

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Unser Foto (© Eurokinissi) entstand am Dienstag (2.4.) während einer Demonstration vor der Polizeistation des Athener Vorortes Agii Anargyri. Unser Foto (© Eurokinissi) entstand am Dienstag (2.4.) während einer Demonstration vor der Polizeistation des Athener Vorortes Agii Anargyri.

Seit Montag (1.4.) hält die Ermordung einer 28-Jährigen direkt vor einer Polizeistation die Öffentlichkeit in Atem. Der Täter ist ein ehemaliger Partner der jungen Frau. Er hatte sie beim Verlassen der Polizeiwache von hinten überfallen und durch zahlreiche Stiche mit einem Küchenmesser ermordet.

Anschließend hat er versucht sich selbst zu verletzen. Der Täter sitzt seither unter Bewachung in einer psychiatrischen Anstalt, am Donnerstag wird er seine Aussage zu Protokoll geben. Vorgeworfen werden ihm u. a. vorsätzlicher Mord sowie illegaler Waffen- und Drogenbesitz.

Hilflos vor dem Polizeirevier
Die junge Frau war Montagnacht gegen 22 Uhr auf der für ihre Wohngegend zuständigen Polizeistation im westlichen Athener Vorort Agii Anargyri erschienen. Sie meldete, dass sie Angst habe, alleine nach Hause zu gehen, weil ihr ehemaliger Partner vor ihrer Wohnung auf sie warte und sie um ihr Leben fürchten müsse. Die Beamten hatten ihr daraufhin vorgeschlagen, Anzeige zu erstatten. Mit einem Streifenwagen könne sie leider nicht nach Hause eskortiert werden, weil kein Fahrzeug zur Verfügung stünde. Ihr wurde der Rat gegeben, selbst die Polizei-Notrufnummer 100 anzurufen, um dort Hilfe anzufordern.
Nach diesem Ratschlag verließ die Frau das Polizeigebäude und versuchte, die Hotline per Handy anzurufen. Der Ex-Partner, der ihr dort aufgelauert hatte, stürzte sich auf sie und brachte ihr mit mehreren Messerstichen tödliche Verletzungen bei. Augenzeugen zufolge habe er gerufen: „Ich werde dich töten!“ Obwohl sich der Vorfall unmittelbar vor dem Polizeirevier zutrug, eilte ihr niemand zu Hilfe. Erst nach der Tat erschien ein Polizist, der die Tatwaffe mit einem Fußtritt weggeschoben haben soll. Der 39-jährige mutmaßliche Täter wurde in Gewahrsam genommen und befindet sich in psychiatrischer Behandlung.

Interne Untersuchung der Polizei
Die Polizei will nun intern prüfen, inwiefern Beamten der betreffenden Polizeistation Verantwortung für den Vorfall zugewiesen werden kann. In einer Pressemitteilung wurde darauf aufmerksam gemacht, dass seit 2020 Polizistinnen und Polizisten darauf trainiert würden, im Falle häuslicher Gewalt effektiv einzuschreiten. Dafür gebe es entsprechende Protokolle, die bei Entscheidungen zu Grunde gelegt würden. Derzeit seien im ganzen Land 18 Polizei-Büros eingerichtet, die sich speziell mit innerfamiliärer Gewalt beschäftigen; 45 weitere seien in Planung. Seit 2023 hätten Opfer solcher Gewalt zudem Zugang zu einem sogenannten „Panic Button“ auf ihrem Handy, mit dem schnell und unkompliziert Hilfe angefordert werden könne.
Griechische Medien verweisen darauf, dass die 28-Jährige bereits 2020 Anzeige gegen den Täter erstattet und zudem Sicherheitsmaßnahmen gefordert habe.
Bürgerschutzminister Michalis Chryssochoidis erklärte gegenüber dem staatlichen Sender ERT, dass bisher 17.000 Polizisten für das Einschreiten in Fällen häuslicher Gewalt trainiert worden seien. Der Staatssekretär im Bürgerschutzministerium Andreas Nikolakopoulos fügte hinzu, dass er von der Tat schockiert sei. Auch die Staatsanwaltschaft sei derzeit mit dem Fall beschäftigt. Er verteidigte die Arbeit der Beamten damit, dass bisher viele ähnliche gewaltsame Übergriffe gegen Frauen von den Ordnungshütern verhindert werden konnten.

Kritik der Opposition
Aus den Reihen der linken Oppositionspartei SYRIZA stellte der Parlamentarier Christos Giannoulis fest, dass die Phänomene der Frauenmorde in Griechenland durch Stereotype und Vorurteile reproduziert würden. Der Staat müsse sich auf die Verhinderung solcher Vorfälle konzentrieren und potentielle Opfer häuslicher Gewalt besser schützen.
Der Vorsitzende der sozialistischen PASOK Nikos Androulakis sprach von einem „tragischen Femizid an einer jungen Frau“. Dies sei gleichzeitig ein Beweis dafür, dass die Regierung im Fall des Bürgerschutzes kläglich versagt habe.
Die kommunistische KKE sprach von einem regelrechten „Golgotha“, den viele Frauen unter ähnlichen Umständen durchlaufen müssten. Elementare Schutzmaßnahmen seien nicht vorhanden. Gleichzeitig bestünden „tragische Mängel“ in entsprechenden Beratungsstellen und in Häusern für misshandelte Frauen. – Am Dienstag fand vor der Polizeiwache Agii Anargyri eine Protestkundgebung statt, die Sympathie mit dem Opfer zum Ausdruck brachte und allgemein gegen Phänomene von Gewalt gegen Frauen gerichtet war.
(Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)

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