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Zwei Jahre nach einem tödlichen Zugunglück in Griechenland wächst der Druck auf die Regierung Tagesthema

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Unser Foto (© Eurokinissi) entstand am Sonntag (26.1.) in der Nähe von Tempi. Unser Foto (© Eurokinissi) entstand am Sonntag (26.1.) in der Nähe von Tempi.

Im Parlament soll demnächst eine Debatte über das Zugunglück bei Tempi durchgeführt werden, das vor knapp zwei Jahren 57 Todesopfer forderte. Einen entsprechenden Antrag hat am Montag (27.1.) der Generalsekretär der kommunistischen KKE Dimitris Koutsoumpas eingebracht.

Hintergrund ist eine Kundgebung am Sonntag, an der sich „landeszweit hunderttausende Demonstranten“ beteiligt hätten, so die KKE. Im Ausland fanden ähnliche Aktionen statt; etwa in München, Stuttgart, Nürnberg, Frankfurt, Köln, Berlin, Zürich, Luxemburg, Brüssel, Amsterdam, aber auch in Dublin, Oslo, Helsinki, Island, in den USA und in Kanada. Das Motto lautete „Ich habe keinen Sauerstoff“.

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Demo auf Kreta

Suche nach „illegaler Fracht“
Mit diesem Slogan soll auf den Verdacht aufmerksam gemacht werden, dass 30 der bei dem Unglück ums Leben gekommenen Fahrgäste nicht durch den frontalen Aufprall des Intercity mit einem Güterzug, sondern durch einen Brand zu Tode kamen, der sich im Anschluss ausbreitete. Es gibt Vermutungen, dass man in diesem Güterzug illegal eine gefährliche Fracht transportiert haben könnte, die in den offiziellen Papieren nicht ausgewiesen war. Die Polytechnische Universität Athen will in den kommenden Tagen einen Bericht veröffentlichen, in dem beschrieben wird, ob die offiziell in den Frachtpapieren angegebenen Materialien tatsächlich ein derartig großes Feuer hätten entfachen können. Dem bisherigen Erkenntnisstand zufolge scheint dies eher unwahrscheinlich. Aus diesem Grund bemängeln Kritiker auch, dass Behörden direkt nach dem Aufprall versucht haben sollen, den Unfallort schleunigst zu säubern. Weitere Vorwürfe belaufen sich darauf, dass angeblich Beweismaterial nur lückenhaft an die Justiz übergeben worden sei. So etwa soll niemals das für solche Fälle vorgesehene Videomaterial über die Beladung des Güterzuges an die Ermittler gegangen sein. Auch die forensischen Untersuchungen seien von Anfang an ungenügend gewesen, so die Kritik.

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Ausschreitungen im Rahmen einer friedlichen Demo

In diesem Sinne werfen die KKE und andere Oppositionsparteien der Regierung vor, „ein Verbrechen vertuschen zu wollen“. Bemängelt wird etwa auch, dass es sowohl bei der Griechischen Bahn als auch bei der Wartung des Schienennetzes große Mängel gebe. Außerdem sei das Personal nicht ausreichend ausgebildet worden. Letztendlich richten sich Vorwürfe der KKE auch gegen die EU, die es „je nach Baujahr“ Eisenbahnzügen erlaube, „mit unterschiedlichen Sicherheitsstandards zu verkehren“. So sei es auch beim „Tempi-Krimi“ geschehen.

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Demonstration in Preveza

„Verbrechen ohne Strafe“
Nun ziehen die KKE und weitere Oppositionsparteien in Betracht, die Vertrauensfrage im Parlament zu stellen. Gefordert wird u. a., dass Verantwortliche für das Zugunglück bei Tempi zur Rechenschaft gezogen werden, was bisher nur bedingt geschah. Ein Teil der Familienmitglieder der Verstorbenen spricht von einem „Verbrechen ohne Strafe“; von ursprünglich 43 Angeklagten sei keiner in Haft gekommen. Die größte Oppositionspartei Griechenlands, die PASOK, fasste zusammen: „Die Vertrauenskrise in die Institutionen verschärft sich immer mehr“, und „Gerechtigkeit ist Respekt vor der Menschenwürde.“ Die im Parlament vertretene rechtspopulistische Partei Griechische Lösung spricht von einem „Nationalen Verbrechen“. Das Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) fügte hinzu: „Gerechtigkeit ist der Sauerstoff der Demokratie.“ Anschließend warf SYRIZA dem staatlichen Fernsehsender ERT vor, nicht genügend über die Demonstrationen am Sonntag berichtet zu haben. Bei der Nachrichtensendung um zwölf Uhr mittags, wurde über dieses Thema nur im Rande berichtet: In der Reihenfolge seien diese Massenkundgebungen erst als zehnte Nachricht erwähnt worden.

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Protest in Larissa

Verletzung eines Reporters
Ein weiterer Grund, weswegen sich die Regierung eventuell verteidigen muss, ist die Verletzung eines Bildjournalisten während der Demonstration am Sonntag vor dem Athener Parlament durch Polizisten. Im Rahmen eines Gesprächs mit Regierungssprecher Pavlos Marinakis wiesen Journalisten darauf hin, dass der Reporter zum Zeitpunkt des Geschehens seine Arbeit erledigt habe. Marinakis konterte, dass schließlich auch die Polizisten gearbeitet hätten, als sie von vermummten Chaoten mit Molotow-Cocktails bzw. Brandfalschen attackiert worden seien.
Aus der Vereinigung der Pressefotografen Griechenlands wurde kommentiert: „Der Vorfall (vom Sonntag) war nicht der erste, aber auch nicht der letzte.“ Dies sei „ein weiterer Beweis dafür, dass staatliche Repressionen umso stärker einsetzen, je schlechter die Bedingungen für die Arbeiter und die Bevölkerung insgesamt werden und je stärker die gestellten Forderungen sind.“ Zudem war die Rede von „staatlicher Gewalt“. Was die Vorwürfe über die verspäteten Verfahren zur Aufklärung der Todesursache der Opfer des Zugunglücks angeht, so stellte Regierungssprecher Marinakis fest: „Nur Justizbeamte können Recht sprechen.“ Außerdem erklärte er, dass die Griechische Bahn mittlerweile höhere Subventionen für die Wartung des Schienennetzes erhalte. (Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)

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