Bereits zum 22. Tag in Folge führt Panos Routsis vor dem Parlamentsgebäude am Athener Syntagma-Platz einen Hungerstreik durch. Mit dieser Art des Protestes fordert er die Exhumierung seines Sohnes Denis, der am späten Abend des 28. Februar 2023 in der Nähe des Tempi-Tals gemeinsam mit 56 weiteren Passagieren während eines Eisenbahnunglücks sein Leben verloren hatte.
Panos Routsis will einerseits Gewissheit darüber bekommen, ob er tatsächlich die Leiche seines Kindes beerdigt hat. Außerdem will er auch die genaue Todesursache erfahren. Ein Gericht hat nun zwar einer Exhumierung stattgegeben, um DNA-Tests durchzuführen; toxikologische Untersuchungen an der Leiche sind hingegen weiterhin untersagt.
Viele der Hinterbliebenen der Todesopfer von damals, aber auch Experten, hatten den Verdacht geäußert, dass der Güterzug, der mit dem Passagierzug kollidierte, in dem Denis Routsis von Athen nach Thessaloniki unterwegs war, illegal Kraftstoff oder andere explosive Materialien transportiert haben könnte.
Der Hungerstreik des Vaters bekommt in den griechischen Medien unterdessen immer größere Aufmerksamkeit. Parallel dazu finden immer wieder Solidaritätskundgebungen für Routsis vor dem Parlament statt. So auch am Sonntag (5.10.), wo ihm zu Ehren dort ein Konzert durchgeführt wurde.
Vor diesem Hintergrund kommt es zu Konfrontationen zwischen der Regierung und der Opposition. Hauptdarsteller sind Gesundheitsminister Adonis Georgiadis und Zoi Konstantopoulou, Vorsitzende der Parlamentspartei Plevsi Eleftherias. Die gestandene Rechtsanwältin vertritt Routsis auch vor Gericht. Georgiadis wirft ihr unterdessen vor, dass sie versuche, den Prozess über das Tempi-Zugunglück zu verzögern. Auch die Ärzte von Routsis griff der Minister verbal an: Ihnen wirft er vor, „Spiele zu spielen“.
Allerdings gab Georgiadis zu verstehen, dass er sich für die Durchführung toxikologischer Untersuchungen am Leichnam von Denis Routsis einsetzen werde, solange ein Mittelweg gefunden werden könne, um den Prozess nicht zu verzögern. Ähnlich äußerte sich auch der frühere EU-Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft (2014-2019) Dimitris Avramopoulos. Es handle sich um ein „tief humanes und moralisches Thema“, stellte er fest. Panos Routsis habe das Recht, die genauen Todesursachen seines Sohnes zu erfahren, so der Politiker.
Die Tragödie von Tempi wird von der griechischen Gesellschaft gern als „eine der größten Tragödien des Landes“ bezeichnet – es war das bisher größte Eisenbahnunglück in Griechenland. Mehrfach wurden landesweite Demonstrationen durchgeführt, um an die 57 Todesopfer von damals und die schleppende Aufklärung des Falles zu erinnern; selbst im Ausland kam es zu zahlreichen Protesten.
(Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)