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Griechenland ist angesichts der Schließung von über 200 Postfilialen in Aufruhr Tagesthema

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Archivfoto (© Eurokinissi) Archivfoto (© Eurokinissi)

Die geplante Schließung von 204 Postfilialen sorgt für heftige politische Kontroversen. Es hagelt Proteste von Bürgern, Kritik von Oppositionsparteien und sogar Spannungen in den Reihen der Regierungspartei sind zu beobachten. Besonders betroffen sind ältere Menschen und ländliche Gemeinden, die auf die Post für alltägliche Transaktionen angewiesen sind.

Die geplante Schließung von 204 ELTA-Filialen schlägt in Griechenland politisch hohe Wellen. Am Dienstag (4.11.) ist der Geschäftsführer der ELTA Grigoris Sklikas von seinem Posten zurückgetreten. In seinem Kündigungsschreiben erklärt er, dass die ELTA „wirtschaftlich nicht mehr tragfähig“ sei. Was die Briefpost betreffe, so habe man über 90 Prozent des einstigen Zustellvolumens eingebüßt. Dies sei nicht mit einer entsprechenden Anpassung der Strukturen und der Betriebskosten einhergegangen. Bereits seit 2013 hätte das Unternehmen nach privatwirtschaftlichen Kriterien arbeiten sollen, was allerdings nicht der Fall war.

Dem Rücktritt des ELTA-Chefs war ein Treffen mit Premierminister Kyriakos Mitsotakis vorangegangen. Gleichzeitig häuft sich Kritik in den Reihen der Regierungspartei Nea Dimokratia (ND). Parlamentspräsident Nikitas Kaklamanis stellte fest, dass sich etwa 30 Parlamentarier der ND in seinem Büro über die entstandene Situation beschwert hätten.

Wichtige Institution

Angekündigt worden war die Schließung von mehr als 200 ELTA-Filialen im ganzen Land in der vorigen Woche. Allerdings fiel diese Nachricht aus heiterem Himmel; man hatte es versäumt, diesen Schritt im Vorfeld in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Gerade das sorgte bei vielen Bürgern, Unternehmen und Politikern für Unverständnis. Selbst Regierungsmitglieder betonten, dass man diese Entscheidung hätte ankündigen und dass man mit ELTA einen Dialog hätte führen müssen. Angesichts dieses massiven Widerstandes ruderte ELTA am Montag zurück: 158 der 204 Filialen in kleineren Ortschaften sollen noch für drei Monate im Betrieb bleiben. – Anschließend sollen auch dort die Pforten ein für allemal geschlossen werden. Das dürfte vor allem für ältere Menschen, die mit modernen Technologien weniger vertraut sind, zum Problem werden. Bisher bezogen viele ihre Renten über ELTA, auch Strom-, Telefon- oder Wasserrechnungen konnten dort beglichen werden. – Nicht zuletzt galten die Filialen gerade in der Provinz als ein sozialter Treffpunkt, wo man schon mal zu einem Schwatz zusammensitzen und Neuigkeiten austauschen konnte.

Fehlmanagement

Kritische Töne hörte man etwa auch von Gesundheitsminister Adonis Georgiadis. Er gab zu bedenken, dass es sich um ein „ernstes institutionelles Problem“ handle, dass die Abgeordneten nicht darüber informiert worden seien. Er fügte hinzu, dass es offenbar ein „Fehlmanagement“ beim Betrieb gegeben habe: ELTA ist als Aktiengesellschaft über einen sogenannten Growthfund nach wie vor im Besitz der öffentlichen Hand. Es sei nicht akzeptabel, die Minister vor vollendete Tatsachen zu stellen, wetterte Georgiadis. Die ELTA hätte bereits vor Monaten einen Plan veröffentlichen müssen, um Menschen und Unternehmen auf geplante Schritte vorzubereiten.

Die stellvertretende Gesundheitsministerin Irini Agapidaki verteidigte hingegen die Entscheidung der ELTA. Sie erklärte, dass man in Zeiten der künstlichen Intelligenz Lösungen finden könne, „die auf die Bedürfnisse jeder Gemeinschaft zugeschnitten sind“.

Regierungssprecher Pavlos Marinakis betonte, dass auch künftig alle Bürger bedient würden und kein Arbeitsplatz verloren gehe. Der Politiker fasste zusammen: „Die ELTA wird nicht eingestellt, sondern reformiert und modernisiert.“ Er gab allerdings zu, dass vor der Schließung einen Dialog und Informationskampagne mit den Bürgern hätte führen müssen.

Bürgerproteste

In Aufruhr sind nun auch Gemeinden der Provinz, die von der ELTA-Schließung betroffen sind. So habe einem Bericht des staatlichen Nachrichtensenders ERT zufolge der Bürgermeister der Inselgruppe Inousses Jorgos Daniil Lösungsvorschläge unterbreitet, damit die zehn Postfilialen in der nördlichen Ägäis nicht schließen müssen. Ein gemeinsames Schreiben haben auch die Gemeinden von Perama, Keratsini und Renti bei Piräus gesendet. Der Nachrichtenseite aftodioikisi.gr zufolge erklären sie, dass vor allem besonders gefährdete soziale Gruppen und ältere Menschen, die keinen Zugang zu alternativen Dienstleistungen haben, von dieser Situation betroffen seien. Aftodioikisi.gr berichtet außerdem, dass die Gemeinde von Pilion in Mittelgriechenland vorgeschlagen habe, kostenlos ein Gebäude zur Verfügung zu stellen, damit die Post in Argalasti nicht schließt. Dabei wurde auch hier betont, dass „vor allem unsere älteren Mitbürger“, auf die Postfilialen angewiesen seien, „um grundlegende Transaktionen abzuwickeln und um mit dem übergeordneten Verwaltungs- und Wirtschaftssystem in Kontakt zu bleiben“.

Unterdessen haben am Dienstag (4.11.) in Tzoumerka bei Ioannina etwa 300 Einwohner trotz regnerischen Wetters gegen die Schließung der lokalen Postfiliale demonstriert. Es wurde erklärt, dass die ELTA wichtig sei, um Bedürfnisse zu erfüllen, „die für Transaktionen oder den Empfang von Medikamenten wichtig sind“. Voria.gr zufolge sind ähnliche Protestaktionen auch in Thessaloniki geplant.

„Politisches Fiasko“

Die Dachgewerkschaft der Privatangestellten GSEE sieht die Sache noch anders: Dort heißt es, dass man den Konkurrenten der ELTA durch diese Entscheidung weiteren Profit zuschanze.

Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei PASOK, Nikos Androulakis, sprach von einem „Fiasko“ der ND. Wörtlich stellte er fest: „Bürger außerhalb der Städte wünschen sich staatliche Präsenz, aber die Nea Dimokratia hat die ELTA degradiert und für Vetternwirtschaft benutzt.“ Das Linksbündnis SYRIZA sprach von innerparteilichen Problemen der ND, die jedoch die griechische Bevölkerung nichts angehen. Die kommunistische KKE rief die Regierung dazu auf, die Entscheidung der Schließung der Postfilialen zurückzunehmen. Die Neue Linke sprach von einer „Entscheidung eines Technokraten“ und von einem „Regierungsbeschluss“. (Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)

 

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