In Griechenland nehmen Bauernproteste immer stärker zu: Mit tausenden Traktoren blockieren Landwirte Straßen, um einerseits Zahlungsverzug bei der Überweisung von Subventionsmitteln und andererseits auf grassierende Tierseuchen aufmerksam zu machen. Die Aktion wird unterstützt von Lkw- und Taxi-Fahrern sowie Schülern und der von Opposition.
Die Landwirte verschärfen ihre Protestaktionen in ganz Griechenland. Mittlerweile agieren die Bauern mit etwa 4.000 Traktoren, um Straßenabschnitte und neuralgische Verkehrsknotenpunkte abzuriegeln. In erster Linie ist das mittelgriechische Thessalien, aber auch Makedonien, Epirus und Evros betroffen. Besonders spürbar ist der Protest, weil immer wieder auch Abschnitte der Nationalstraße zwischen Athen und Thessaloniki für den Verkehr gesperrt werden: Es handelt sich um die Hauptverkehrsader des Landes. Täglich stoßen weitere Bauernverbände zu ihren Kollegen an der Protestfront. Auch Landwirte in Achaia auf der Peloponnes sowie bei Preveza und Arta im Nordwesten des Landes lassen bereits ihre Traktoren warmlaufen.
„Geschmückte Traktoren“
Vielerorts campen die Demonstrierenden bereits auf den besetzten Straßen und wärmen sich nachts mit provisorischen Lagerfeuern. Im Fernsehen erklären sie, dass sie im Notfall auch Weihnachten und Neujahr dort verbringen würden, dann würden sie eben statt der Weihnachtsbäume ihre Traktoren festlich schmücken, teilten Sprecher mit. Weiterhin hieß es, dass bis Ende der Woche alle Nationalstraßen in Griechenland vom Bauernprotest betroffen sein werden. Unterstützung erhalten die Aufständischen unterdessen auch von Lkw- und Taxifahrern. Letztere befinden sich ebenfalls im Streik. Am Mittwoch (3.12.) bildeten sie von Thessaloniki aus einen motorisierten Konvoi zum Bauernblockadepunkt an den Mautstellen von Malgara. Auch Schüler brachten bereits ihre Solidarität gegenüber den Landwirten zum Ausdruck.
Gesperrt wurde außerdem stundenweise die Zollstation zur Republik Nordmazedonien im Norden Griechenlands. Die Landwirte wollen künftig den Zugang zu weiteren Grenzstationen und selbst zu Häfen mit ihren Traktoren verbarrikadieren.
Auf dem Hauptplatz der mittelgriechischen Stadt Larissa haben Viehzüchter Milch, Stroh und Mais auf den Platz gestreut, um auf das Problem einer Seuche unter Ziegen- und Schafherden aufmerksam zu machen; bisher mussten annähernd 450.000 Tiere notgeschlachtet werden. Sie erklären etwa, dass in Thrakien 30 Prozent der Herden von dieser Seuche betroffen seien.
Auch am Donnerstag (4.12.) wollen die Landwirte in Larissa für Aufsehen sorgen. Es ist eine Protestaktion vor dem lokalen Gerichtshof geplant, wo einige ihrer Kollegen ihre Aussage zu Protokoll geben müssen; sie waren im Zuge von Auseinandersetzungen mit der Polizei verhaftet worden.
Reaktion der Regierung
Vor diesem Hintergrund erklärte Premierminister Kyriakos Mitsotakis am Mittwoch, dass die Landwirte in diesem Jahr eine halbe Milliarde Euro mehr an Subventionen bekämen, als 2024. Während der Gesamtbetrag im Vorjahr bei 3,1 Mrd. Euro lag, sind in diesem Jahr 3,7 Mrd. Euro vorgesehen. Gleichzeitig ruft er Vertreter der Zunft zum Dialog auf.
Die Landwirte protestieren vor allem wegen eines Skandals bei der staatlichen Agentur für die Auszahlung und Kontrolle von Gemeinschaftsbeihilfen (OPEKEPE). Ein Millionen-Anteil von EU-subventionierten Geldern ging an nicht berechtigte Personen; nun fordert die EU Strafgelder von Griechenland. Die Mittel dafür – so die Befürchtung – könnten aus der OPEKEPE-Kasse, die für Subventionen für Landwirte vorgesehen ist, entnommen werden. Ziel sei es, den Primärsektor zu einer „Wachstumsmaschine“ Griechenlands zu gestalten.
Bürgerschutzminister Michalis Chryssochoidis kritisierte vor allem die Schließung von Zollämtern und Häfen. Er fügte aber auch hinzu, dass seitens der Polizei keinerlei Absicht zur Konfrontation bestehe. Regierungssprecher Pavlos Marinakis erklärte, dass es das Ziel der Regierung sei, den Primärsektor zu unterstützen. Grund für die bisherige Verzögerung bei den Auszahlungen liege an den Kontrollen bzw. Überprüfungen, die nach dem OPEKEPE-Skandal durchgeführt werden müssten.
„In den Ruin getrieben“
Unterstützung erhalten die Landwirte in ihrem Protest hingegen von der Opposition. Aus den Reihen der sozialistischen PASOK wurde hervorgehoben, dass viele Landwirte Griechenlands kurz vor dem Bankrott stünden. Sollte die Produktion sinken, würde Griechenland vor einem Problem stehen. Die Politik der Regierung hätte den Primärsektor in den Ruin getrieben, hieß es seitens der PASOK. Aus den Reihen des Bündnisses der Radikalen Linken SYRIZA war die Rede von einem „perfekten Sturm im Agrarsektor“, den die Regierung verursacht habe. Ein nationales Problem bilde zudem, dass Bewohner aus den Dörfern abwandern und dass die Regierung die Landwirte als „Feinde“ behandle. Die Proteste der Landwirte seien eine „Mobilisierung für die Interessen des gesamten Landes.“ (Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)