Auf Straßen ruht der Verkehr, Flughäfen schließen, Häfen werden blockiert: Die Bauernproteste erfassen immer größere Landesteile und setzen die Regierung unter Druck. Hinter den Protesten steckt nicht nur wirtschaftliche Not, sondern ein tiefes Misstrauen gegenüber der Agrarpolitik.
Proteste von Bauern, die eine immer größere Dimension erhalten, haben Griechenland derzeit fest im Griff. Die Zahl der Blockaden war bis Montagabend auf 54 angewachsen: Autobahnen, Landstraßen, Häfen, Flughäfen und Grenzübergänge wurden in Mitleidenschaft gezogen. Der Druck auf die Regierung wächst täglich. Symbolischer Mittelpunkt bleibt die Blockade bei Nikaia, wo eine der wichtigsten Verkehrsadern des Landes seit Tagen abgeriegelt wurde. Die Bauern zeigen sich entschlossen, ihre Traktoren erst dann abzuziehen, wenn sie „substanzielle Antworten“ auf ihre Forderungen erhalten.
Verständnis und Härte
Vor allem in Thessalien, traditionell einer der Brennpunkte agrarischer Konflikte, weiten sich die Aktionen aus. Am Mittwoch (10.12.) wollen die Straßenbesetzer aus dem Umkreis der mittelgriechischen Städte Larisa, Karditsa und Trikala gemeinsam mit Fischern aus der Region den Hafen von Volos blockieren – ein Schritt, der die Proteste in eine neue, deutlich schärfere Phase lenken könnte. Entlang der Autobahn E65, die das Land von Norden nach Süden durchquert, schließen sich immer mehr Landwirte an, errichten Zelte und halten täglich Versammlungen ab. Gewerkschaften und lokale Verbände signalisieren durch Besuche an den Blockaden offene Unterstützung.
Rund um die nordgriechische Metropole Thessaloniki ist der Straßenverkehr spürbaren Störungen ausgesetzt: Vier Blockaden schneiden die Stadt zeitweise faktisch von der Außenwelt ab. Als die Polizei versuchte, strategische Verkehrsknotenpunkte freizuhalten, kam es zu Zusammenstößen mit Landwirten.
Die Regierung gerät zunehmend in die Zwickmühle: Einerseits betont sie, berechtigte Anliegen der Landwirte zu verstehen, andererseits hält sie am Prinzip einer strikten öffentlichen Ordnung fest und verweist auf das öffentliche Interesse an offenen Verkehrswegen. Regierungspolitiker aus ländlichen Regionen berichten aus ihren Wahlkreisen von einer „großen Wut“ vieler Bauern, weil deren landwirtschaftliche Förderungen zuletzt spürbar gekürzt wurden, obwohl sie nicht in den Subventionsskandal der staatlichen Agentur für die Auszahlung und Kontrolle von Gemeinschaftsbeihilfen (OPEKEPE) verwickelt waren.
Eskalation auf Kreta
Die heftigsten Szenen spielten sich bisher auf Kreta ab. Dort kam es zu massiven Ausschreitungen, als Bauern und Viehzüchter die Zufahrten zu den Flughäfen Heraklion und Chania blockierten. In Heraklion gelangten etwa 100 bis 150 Demonstrierende sogar auf das Rollfeld, woraufhin der Flughafen den Betrieb vollständig einstellen musste.
Die Polizei setzte Tränengas und Blendgranaten ein, ein Beamter soll verletzt worden sein. Trotz Regen und Sturm harrten die Landwirte bisher auf den betroffenen Flughäfen der Großinsel aus und diskutieren offen über eine mehrtägige oder gar unbefristete Komplettblockade.
Auch andernorts kommt es zu weitreichenden Störungen. In Patras fuhren Bauern mit ihren Traktoren auf die verkehrstechnisch wichtige Umgehungsstraße und blockierten diesen Verkehrsknoten. In Ioannina wurde am Sonntag für drei Stunden die Zufahrt zum Flughafen gesperrt. In Evros stauen sich etwa 350 griechische und 1.000 türkische Lastwagen, weil der Grenzübergang abgeriegelt wurde. Verschiedene lokale Vereine versorgten die wartenden Fahrer mit Mahlzeiten und Getränken.
Trotz der erheblichen Belastungen für Verkehr, Handel und Tourismus unterstreichen die Protestierenden ihre Entschlossenheit: „Wir sind gekommen, um zu bleiben.“ Sie fordern gerechtere Entschädigungen, günstigeren Treibstoff, verlässliche Auszahlungen der ihnen zustehenden Subventionen und vor allem eine grundlegende Neuausrichtung der Agrarpolitik, die wieder Vertrauen in den Dialog mit der Regierung schaffen müsse. Wie und wann der Konflikt entschärft werden kann, bleibt völlig offen. Die Akteure kündigten an, wenn nötig auch das Weihnachtsfest an den Blockadepunkten zu verbringen.
(Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)