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Hingerissen von feinsandigen, weißen Stränden

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Ein Hauch von Moderne am hafennahen Strand. (Foto:© GZcb) Ein Hauch von Moderne am hafennahen Strand. (Foto:© GZcb)

In einem schmalen, langgestreckten Doppeldorf im Osten der Südküste Kretas kann man wahrhaftig noch einen Badeurlaub fast wie in den 1980er Jahren verbringen. Makrygialos und Analipsi heißen die heute völlig zusammengewachsenen Küstenorte, die der übliche Massentourismus nahezu verschont. Heute besucht unser Autor Analipsi und die vorgelagerte Insel Koufonissi.

 Hauptflaniermeile in Analipsi ist die Dorfstraße, die hinter einer Häuserreihe parallel zum Strand verläuft. Souvenirgeschäfte und Supermärkte sucht man da fast vergeblich. Nur Myrto Botsari gleich gegenüber der Dorfkirche stellt da eine Gefahr fürs Portemonnaie dar: Sie bietet von ihr handverlesene Keramik und Schmuck von über 120 Künstlern und Kunsthandwerkern aus ganz Hellas feil. Einen Fish Spa wie in den meisten Urlaubsorten Griechenlands gibt es nicht, dafür bieten zwei Physiotherapeuten an der Dorfstraße auch Urlaubern ihre Dienste an: Wellness auf medizinischer Grundlage, ohne Räucherkerzen und romantisches KerzenIicht.  Wassersport ist möglich, aber recht teuer: Zehn Minuten Wasserski oder Jet Ski kosten 25 Euro, ein Tretboot oder ein Kanu 15 Euro pro Stunde. Kostenlos ist nur die Nutzung der beiden nicht mehr taufrischen Volleyballnetze im Meer direkt vor der Taverne „Faros“.

Touristenladen mit Bekenntnis zur Heimat

Vangelis und seine Fische

Die gefüllten Zucchiniblüten „anthous“, die kleinen Kohlrouladen „lachanodolmades“  und der frische Kalamar in Senfsauce sind im Faros ein Gedicht. Der anerkannte Spezialist für frischen regionalen Wildfisch jedoch ist Vangelis, Wirt der Hafentaverne „To Steki tou Mina“. Ich habe schon mit seinem verstorbenen Vater vor 35 Jahren viel Raki getrunken. Vangelis erzählt mir stolz, dass er seine Fische nur von Fischern aus den nahen Küstenorten Goudouras und Ierapetra bezieht – einzig Kalamares liegen der großen Nachfrage wegen in seiner Tiefkühltruhe. Ich muss seine selbst eingelegten Sardellen verkosten, er verrät mir das Rezept: Erst lässt er sie gesalzen einen Tag im Kühlschrank stehen, dann mit Essig beträufelt noch einen weiteren Tag. Abschließend werden sie mit Olivenöl begossen – und fertig sind sie.

Koufonissi Lassithiou

Während wir uns unterhalten, schaue ich ständig auf die beiden Masten eines Piratenschiffes. Es liegt an der Außenseite des Hafenbeckens und startet täglich zu Ausflugsfahrten hinüber zur Insel Koufonissi (Lassithiou) – nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Insel südlich von Naxos. Ich war vor Jahrzehnten schon einmal dort, damals mit einem ganz kleinen Boot. Und war begeistert vom langsam vom Sand zuwehenden römischen Theater einer römischen Stadt auf dem Inselchen, das von der Purpurschneckenzucht lebte.  Hingerissen war ich damals auch von den völlig unberührten, feinsandigen weißen Stränden des längst völlig unbewohnten Eilands. Eigentlich hatten wir diesmal wieder hinüber fahren wollen. Aber uns schockierten die Menschenmassen, die morgens in Grüppchen von einem Reiseleiter zum Boot geführt wurden. Wir ließen von unserem Vorhaben ab.

Das Piratenschiff und die Berge hinter Analipsi

Vangelis aber versteht, dass ich mehr über Koufonissi heute wissen möchte. Er setzt sich auf seinen roten Motorroller und fährt die 150 Meter zum Piratenschiff, um dessen Kapitän zu holen. Der ist natürlich ein Verwandter von ihm, so wie alle Menschen im Ort irgendwie miteinander verwandt zu sein scheinen. Captain Manolis erzählt mir, dass das Schiff Koufonissi gar nicht anläuft. Das Theater und weitere Stadtreste in seiner Umgebung sind absolute archäologische Sperrzone, die niemand mehr betreten darf. Seine Ausflugstörns sind reine Badereisen: Zweimal dürfen die 250 Passagiere von Bord aus ins Wasser springen, einmal werden sie auf Wunsch mit einem überfüllten Beiboot für kurze Zeit an einem Strand abgesetzt. Und auf der Rückfahrt gibt's dann eine Piratenparty mit lauter Musik und viel Ouzo.

Und sonst?

Die meiste Zeit in Makrygialos-Analipsi geht mit Baden, Lesen, Essen und Gesprächen mit anderen Urlaubern drauf.  Die lernt man schnell kennen, denn man begegnet sich ja ständig. Auf dem Plateau von Makrygialos liegen zudem die spärlichen Überreste einer römischen Villa, am Ortsrand die Mauern eines minoischen Landsitzes. Mehrere Schluchten und Bergdörfer im Hinterland laden zu Wanderungen ein – und in die jeweils etwa 40 Kilometer entfernten Landstädtchen Ierapetra und Sitia fährt mehrmals täglich ein Linienbus. Das reicht für 14 Tage Ferien. Alljährlich Ende Juni sorgt Gunnar, der Vermieter der White Houses, zudem für ein ganz besonderes Schmankerl. Dann findet im Garten seiner Privatvilla am Ortsrand ein hochkarätiges Kammermusikfestival mit internationaler Beteiligung statt, das inzwischen sogar von der Regionalregierung Kretas gesponsert wird.

Text: Klaus Bötig; Fotos: Christiane Bötig

Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 655 am 5. Dezember 2018.

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