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Ein Kafenion an jeder Straßenecke

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Foto (© GZrh): Das Marinemuseum (im Rundbau) ist eine sehr besuchenswerte Stätte Foto (© GZrh): Das Marinemuseum (im Rundbau) ist eine sehr besuchenswerte Stätte

Sich bei längerem Aufenthalt im Bereich der griechischen Hauptstadt in Athens Appendix Piräus einzunisten, statt in der Kapitale selbst, hat unbestreitbare Vorteile. Das ganze Umfeld ist überschaubarer als in der riesigen Metropole.

Piräus führt eine Stiefmütterchendasein. Und das zu Unrecht. Diese historische Stadt ist mehr als nur Starthafen für einen Inselurlaub. In Piräus muss man beispielsweise weitaus weniger gegen mächtige Touristenströme anrudern, fast alles lässt sich zu Fuß bewältigen, wenn man einigermaßen in Kondition ist. Und, nicht unwichtig: Die Preise für die Unterkünfte sind niedriger. Hinzu gesellt ich ein weitaus weniger versmogtes Umfeld, weil Piräus an drei Seiten von der See umgeben ist, und alles zusammengenommen ist die urbane Atmosphäre viel freundlicher als in der gestressten Kapitale. Die dortigen Sehenswürdigkeiten kann man immer auf einer Tagestour inspizieren, aber Piräus als solches hat auch eine Menge davon, zumeist klein, aber fein.

Überall ist die Seefahrt das Thema

Zum Beispiel in Museen. Das Marinemuseum befindet sich westlich der Einfahrt zum kleinen Zea-Hafen, der bis an die Halskrause mit der Glitzerflotte der Superreichen vollgestopft ist. Die meisten dieser Protzschuten haben seit ihrer Überführung nach Piräus die See nicht mehr befahren. Sie liegen nur als Statussymbole da — MS Neversail. Man fragt sich, wo die „armen“ Hellenen die ganze Kohle herhaben, denn die griechische Flagge ist des Öfteren großformatig vertreten. Wer dabei Neid empfindet, hat selbst Schuld. Der Autor, selber alter Seefahrer, ist von Herzen froh, einen solchen haarsträubend kostenträchtigen Dampfer nicht sein eigen zu nennen. Dafür erweckte der Panzerkreuzer (oft fälschlich Schlachtschiff genannte) „Georgios Averoff“ im etwas außerhalb gelegenen Paleo Faliro einige Nostalgien, denn der bejahrte Krieger ist über 100 Jahre alt und war Teilnehmer an vier Kriegen. Er trug vor allem dazu bei, Griechenland endgültig von türkischer Herrschaft zu befreien, wofür man ihm noch heute glühend dankbar ist. Der Kreuzer hat musealen Status und läuft, man glaubt es kaum, zu feierlichen Anlässen immer noch rüstig aus. Die Averoff erscheint wie neu, obwohl 1911 in Dienst gestellt, und ist für die Öffentlichkeit zugänglich. Etwas kleinere Schiffe, also in Modellform, gibt es auch in dem genannten Marinemuseum zu sehen, darunter manche echte Kuriosität. Griechenland war ja seit jeher eine der größten Seefahrernationen der Welt und ist es immer noch. Da kommt einiges an Exponaten zusammen, die dem Betrachter mehr Freude machen als die synthetische Flotte vor der Haustür.

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Der uralte Panzerkreuzer „Georgios Averoff“ liegt etwas außerhalb von Piräus.

Altertümer und Kafenions

Nicht weit von hier entfernt befindet sich das Archäologische Museum von Piräus, in dem enorm viel aus der uralten und sehr bewegten Geschichte des wichtigsten Handelshafens im östlichen Mittelmeer gezeigt wird. Wer sich für alte Kirchen begeistern kann, wird in Piräus ebenfalls ein reiches Besichtigungsfeld finden. Doch viel Spaß macht es auch, einfach durch das enge Straßennetz der Stadt zu streifen und immer neue Eindrücke dabei aufzunehmen. Wenn einem die Fußtour zu mühsam wird, lässt man sich einfach in einem der zahllosen Kafenions (Cafés) nieder, von denen eines an jeder Straßenecke steht, und mehrere dazwischen. Sie sind generell von frühmorgens bis spätabends offen, und keines von ihnen, in dem man nicht mit einem herzlichen Gruß empfangen würde. Einen echten „griechischen Kaffee“ muss man mal probiert haben, auch auf die Gefahr hin, nie wieder einen anderen anrühren zu wollen. Und zum Thema der mediterranen Küche ist ja schon in der kulinarischen Literatur alles gesagt worden; angeblich gibt es keine gesündere auf Erden, und das könnte wahr sein. Auch dass die griechischen Weine ausnahmslos vorzüglich sind, bedarf keiner gesonderten Erwähnung. Und dass jemand auf hellenischem Grund und Boden eine Bombe platzen lässt, dürfte extrem unwahrscheinlich sein. Das allein ist schon ein tröstlicher Gedanke, der zu einer Reise lockt.

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Die (orthodoxen) Kirchen von Piräus können sich sehen lassen.

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Auf guten Kaffee, zünftig angeboten, legen die Griechen großen Wert.

Text und Fotos: Roland Hanewald

Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 667 am 20. März 2019.

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