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Da werden die Ritter wieder lebendig

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Foto (© GZkb): Der Wallgraben gleicht heute einem Park. Foto (© GZkb): Der Wallgraben gleicht heute einem Park.

Corona fördert die Couch-Reisen. Auch ein Inselhüpfen in Griechenland ist möglich, ohne das eigene Haus zu verlassen. Wir haben über 70 deutschsprachige belletristische Titel gesichtet, von denen manche sogar verfilmt wurden. Die Handlungsorte liegen zwischen Erikoussa und Rhodos, zwischen Santorin und Lesbos. Die Autoren stammen aus aller Welt. Heute erkunden wir literarisch die Insel Rhodos.

Die Johanniterritter, die von 1309 bis 1522 über Rhodos herrschten und das Bild ihrer Altstadt prägten, scheinen die Fantasie von Autoren besonders stark anzuregen. Neuestes Beispiel ist die 2020/21 erschienene Roman-Trilogie der Deutschen Barbara Wolpert alias Barbara Nguyen Van. Seit 2012 lebt sie ständig auf Rhodos, ist da mit einem einheimischen Musiker liiert. Im ersten der drei Bände Ritter und Rosen auf Rhodos finden zwei befreundete Hobby-Archäologen am Berg Filerimos den Bericht eines deutschen Johanniterritters, der an der Eroberung der Insel teilnahm und sich später in eine junge rhodische Heilerin verliebte. Anfangs hemmen etwas geballte lexikonartige Kurzreferate über den Orden den Lesefluss, aber spätestens mit Ankunft des Protagonisten auf Rhodos nimmt der jetzt immer spannender werdende historische Liebeskrimi Fahrt auf. Barbaras Ritter sind Menschen, keine geborenen Helden. Das lässt die Leser mit ihnen fühlen. Man mag den Text kaum aus der Hand legen, so stark zieht einen das Geschehen in den Bann. Der zweite Band Drachen auf Rhodos dürfte dann aber für viele Leser enttäuschend sein. Er spielt überwiegend in der Gegenwart, stellt die beiden Hobby-Archäologen und ihre Frauen in den Vordergrund, kreist um das Thema Reinkarnation. Der dritte Band Brudermord auf Rhodos wendet sich nach Aussage der Autorin dann wieder stärker dem Mittelalter zu.

Das Hafenfort spielte 1522 eine wichtige Rolle

Die Große Belagerung 1522

Fast so druckfrisch wie Barbaras Trilogie ist auch die deutsche Übersetzung des schon 1972 auf Schwedisch erschienenen Romans Die Ritter von Rhodos von Bo Giertz. Der Autor ist eine schillernde Figur: Pietistischer Theologe, Schwiegersohn des Gründers des schwedischen Mobilfunkkonzerns Ericsson, Bibelübersetzer, 1949 bis 1970 Bischof von Göteborg. Minutiös zeichnet er auf Grundlage vieler Quellen die Ereignisse während der großen Belagerung 1522 nach. Eine Fülle von Figuren agiert mit wörtlicher Rede, doch fehlt dem Roman der Protagonist, mit dem man mitfühlen und -denken kann. Die Ritter sind hier ein Team, aber durchaus mit Eifersüchteleien untereinander und auch Verrätern in ihren eigenen Reihen. Insgesamt ist das Buch weniger leicht zu lesen als das von Barbara Nguyen Van, bietet aber mehr Anregungen, sich beim nächsten Rhodos-Besuch die Befestigungsanlagen ganz genau anzuschauen. Süffisant ist es passagenweise auch: Die kleinen Seitenhiebe des streng protestantischen Autors auf den römischen Katholizismus samt Heiligen- und Marienverehrung machen Spaß. Ein guter Dienst am Leser sind die kleinen, in den Text eingestreuten Landkarten, Stadtpläne und Maueransichten, die wirken wie von Rittern skizziert.

Leuchtende Orangen

Auch der 2016 verstorbene Engländer Anthony Goodman war wie der einstige Bischof von Uppsala ein gelehrter Mann: Geschichtsprofessor mit Schwerpunkt Mittelalter und Renaissance. In seinem 2004 auf Deutsch erschienenen, 556 Seiten starken Roman Die Mauern von Rhodos beschreibt er ebenfalls die Große Belagerung von 1522 – aber reizvoller Weise einmal auch aus Sicht der Osmanen. Sultan Süleymann gewinnt ebenso an Gestalt wie der Großmeister und viele andere Figuren auf beiden Seiten. Der Autor hofft laut Vorwort, dass sein „Roman ebenso viel Einblick in die Herzen der handelnden Personen gewährt wie in die Ereignisse, an denen sie beteiligt waren“ – und das gelingt ihm recht gut. Als letzter ritterlicher Tipp sei hier noch ein Hinweis auf Ernle Bradford erlaubt. Sein Werk Kreuz und Schwert ist zwar ein Sachbuch, das die gesamte Ordensgeschichte darstellt – aber es ist so packend aufbereitet, dass man es genauso verschlingen kann wie einen spannenden Roman. Für den berühmtesten Literaten, der sich der Insel Rhodos annahm, spielen die Ritter nur eine Nebenrolle. Lawrence Durrell, der im Mai 1945 als britischer Nachrichtenoffizier auf die Insel kam und dort bis April 1947 in einem bis heute erhaltenen Häuschen auf dem islamischen Friedhof in der Neustadt wohnte, schreibt in Leuchtende Orangen vor allem begeistert von den Insulanern, denen er begegnete, von ihren Festen und ihrer Folklore. Überschwänglich schildert er die Schönheit der Landschaft, erzählt aber auch aus der Vergangenheit. Ein kurzer Blumen- und Heiligenkalender von Rhodos bildet den sachlichen Abschluss dieser stimmungsvollen und sprachlich hervorragenden Inselerfahrung, die man auch als Liebeserklärung an diesen Teil Griechenlands auffassen kann.

Ein Tenor in Lindos

Etwa 20 Jahre nach Durrell kam Israels weltberühmter Satiriker Ephraim Kishon nach Rhodos – und nahm an einem Busausflug ins Schmetterlingstal Petaloudes teil. Alle Welt las danach seine bitterböse Geschichte Das Tal der Millionen Schmetterlinge, um nachzuschauen, ob es dort tatsächlich keine Schmetterlinge gibt. Die Story kann man kostenlos im Internet runterladen – und sie dann vielleicht im Schmetterlingstal zwischen Millionen Schmetterlingen lesen. Die gibt es da nämlich, wenn man zur richtigen Jahreszeit kommt. Die ideale Lektüre, um sich nach Lindos zu versetzen, ist Das Lächeln der Athene von Hans-Ulrich Mielsch. Leicht und locker, aber nie oberflächlich erzählt der Schweizer Autor in diesem Roman mit stark autobiographischen Zügen die Geschichte eines erfolgreichen Opernsängers, der plötzlich nicht mehr singen kann. Drei Jahre verbringt er daraufhin im rhodischen Bilderbuchdorf, bis er den Mut findet, sich als Gesangslehrer wieder in die Musikwelt zurückzubegeben. Der Leser ist gleich mittendrin im Geschehen, mag das Buch kaum aus der Hand legen. Lindos wird ungemein plastisch geschildert, der Ortskenner erkennt vieles bis ins Detail getreu wieder. Exzellent sind auch die Beschreibungen der Dorfbewohner, denen der Protagonist näher kommt. Als Zugabe erhält der Leser auch authentische Einblicke in das Seelenleben eines Star-Tenors. Fazit: Einfach super, dieses 2000 erschienene Buch.

In Lindos lächelt Athene einem Sopran

Von Singles und Rüpeln

Mehrere Jahre hat auch Gitta Glöckner auf Rhodos gelebt und dort u. a. als Reiseleiterin auf Ausflugsschiffen gearbeitet. Mit Ein Husky auf Rhodos hat sie den wohl ersten Griechenlandroman geschrieben, in dem Hunde die Hauptfiguren sind. In ihrem zweiten Buch Der Zauberspiegel verwebt sie Erlebnisse mit Touristen und märchenhafte Elemente ineinander. Der Tourismus wird auch in mehreren anderen Romanen thematisiert. Friedrich Kalpenstein lässt in Ich bin Single, Kalimera das bayerische Ekel Herbert auf Hochdeutsch von seinem rüpeligen Urlaub in einem Familienhotel erzählen. Manche finden das lustig. Imre Leander stellt in Chaos inklusive: Ein ganz normaler Urlaub einen All-inclusive-Urlauber in den Mittelpunkt seines um Humor bemühten Romans. Jürgen und Gabriele Jost bedienen mit Rhodos, Mord inklusive das Genre des Kriminalromans. Und Barbara Leciejewski widmet sich in ihrem um Herzerwärmung bemühten Roman Wer, wenn nicht wir in sehr simpler Sprache dem ewigen Thema vom Verlieren und Finden der Liebe. Ein Rhodos-Buch haben wir nicht gelesen: Wild leben in Archangelos von Marina Alexiou. Es wurde nur zu Wucherpreisen angeboten – auch das kommt auf dem Gebrauchtbüchermarkt vor.

INFO: Einige der vorgestellten Titel sind nur noch gebraucht, aber leicht übers Internet (z. B. www.booklooker.de, www.zvab.com) erhältlich. Manche Werke gibt es auch als E-books.

(Griechenland Zeitung / Klaus Bötig)

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