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Sappho und ihre lesbischen Verse

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Foto (© wikipedia): Darstellung der Sappho auf einem Kalathos, um 470 v. Chr., Staatliche Antikensammlungen, München (Inv. 2416). Foto (© wikipedia): Darstellung der Sappho auf einem Kalathos, um 470 v. Chr., Staatliche Antikensammlungen, München (Inv. 2416).

Sie fühlte sich nicht nur zu Frauen hingezogen, sie war verheiratet, hatte eine Tochter. Der Ausdruck lesbisch geht auf die aus Lesbos stammende Dichterin Sappho zurück. Sie wurde um 630 v. Chr. geboren. Da sie nach dem Bürgerkrieg auf der Insel Lesbos verwitwet und ihr Vermögen konfisziert war, gründete Sappho, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, eine Erziehungsgemeinschaft für Mädchen aus adligen Familien.

Wie eine Reihe anderer auf Lesbos lebenden Erzieherinnen unterrichtete Sappho die Mädchen in Tanz, Musik, Religion und weihte die jungen Frauen, sie auf diese Weise auf die Hochzeit vorbereitend, in die körperliche Liebe ein. Im antiken Griechenland war dieser Erziehungsmodus in adligen Kreisen ebenfalls zwischen erwachsenen Männern – dem Erastis Liebhaber – und Jünglingen – dem Eromenos Geliebten – üblich. Über die im Mädchenpensionat komponierten Hochzeitslieder hinaus schrieb Sappho erstmals Gedichte über die Gefühle, die zwischen ihr und den Mädchen entstanden. Überhaupt waren die frühgriechischen Lyriker die Ersten, die Gefühle in Worte umsetzten. Die Zeit, in der Sappho die diesem sozialen Kontext entsprungenen „lesbischen“ Liebesgedichte schuf, wird als das „Erwachen des Ich“ bezeichnet. Dabei war Sappho mit Abstand die beste Dichterin, keine andere Lyrikerin ihrer Zeit war in der Dichtkunst mit ihr vergleichbar. Platon pries Sappho aus Lesbos mit den Worten, dass es falsch sei zu sagen, es gebe neun Musen, vielmehr gebe es zehn, die zehnte nämlich sei Sappho. Ihre Gedichte, ursprünglich Lieder, wurden im 3. Jahrhundert v. Chr. in Alexandria gesammelt und in neun Büchern herausgegeben. Ihre leidenschaftlichen Verse gehören zur schönsten Poesie der Weltliteratur. Oft wird die bedeutendste Dichterin der Antike auf ihr Liebesleben reduziert. Zu Unrecht. Denn niemand vor ihr beschrieb die persönlichsten Gefühle in solch zauberhaft erotischen Versen wie Sappho: „Denn jedes Mal, wenn ich auf dich schaue – nur kurz –, dann kann ich nicht mehr sprechen, sondern meine Zunge ist gelähmt, still, und ein feines Feuer schleicht sich sofort unter meine Haut …“ Und die gebürtige Lesbe liebte ebenfalls Männer. Einer Legende nach stürzte Sappho sich aus Liebeskummer, weil ihr junger Liebhaber sie mit der Dienerin betrog, von einem Felsen ins Meer. So viel Leidenschaft, und das auf der Insel Lefkada, kaum 20 Kilometer von meinem Schreibtisch entfernt.

Linda Graf

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