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Schlange und Kater oder Die Natur ist ein Spektakel

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Unbesorgtes Beieinander: zwei Katzen und eine Schlange am Mittag. (Foto: GZlg) Unbesorgtes Beieinander: zwei Katzen und eine Schlange am Mittag. (Foto: GZlg)

Jüngst hatte ich einigen Besuch. Zunächst schaute Nachbar Stelios nach dem Rechten, weil bei mir immer irgendetwas nicht in Ordnung ist. Es gibt zu reparieren, zu fragen, zu gucken. Dann erschien ein Bekannter aus Deutschland, und wir plauderten eine Weile über dies und das, und schließlich, als ich wieder allein war: eine Schlange!

Und die war gar nicht mal so schmal. Und sie war auch gar nicht mal so kurz. Vierzig Zentimeter lang vielleicht und dick wie ein Rohr. Ahnungslos war ich aus der Küchentür getreten und mindestens so erschrocken wie die Schlange. Mächtig fauchte und zischte es auf den Stufen vor der Küche, sie reckte den Kopf, züngelte mit der Zunge. Umgehend zog ich mich zurück, beide gingen in Hab-neun-Stellung. Aber da ich kein Totschläger bin, habe ich sie leben lassen und diesmal auch nicht nach Stelios als Feuerwehrmann gerufen.

(Was kriegte ich hier vor drei Jahren von einem Leser Senge, weil ich von Stelios’ Blutrausch berichtete – siehe GZ 825. Man könne doch nicht, dürfe doch nicht, Schlangen seien auch Lebewesen, lieb und teuer, auch die müssen leben. Totschlagen ginge gar nicht). Jawohl, sie sollen leben, nahm ich mir vor. Auch wenn ich hinterher, beim Blick ins Internet, feststellte, dass es womöglich tatsächlich die giftige Viper der Insel gewesen sein mochte. Egal, das Leben ist lebensgefährlich, wusste schon der deutsche Schriftsteller Erich Kästner.

Auf der Laubdecke im Schatten stellte sich die Schlange zunächst tot. Dann schlappte Marie um die Ecke. Das lange Wesen schien sie nicht zu bemerken oder sie interessierte sich nicht dafür. Marie ist eine von drei häuslichen Wildkatzen, die im Gelände herumgeistern und bei mir immer einen gefüllten Fressnapf vorfinden. Die Schlange hatte die Zeit der Welt. Natürlich! Ich befand mich in einem Dilemma. Gern hätte ich mir einen Salat zum Mittagessen gemacht, zugleich aber den Abgang der Schlange im Blick behalten. Um zu wissen, wohin sie entschwindet, wenn sie sich denn wieder in Bewegung setzen würde. Damit ich gewappnet sein könnte vor einer zweiten Begegnung.

Dann kam der Auftritt unseres Katers. Er bemerkte die Schlange, als sie sich in das niedrige Blumenbeet hochschlängelte. Was dann folgte, war ein Spektakel. Der Kater äugt und wittert, die Schlange zischt und faucht aus dem Verborgenen. ‚Was geht denn nun ab?‘, denke ich besorgt.
Der Kater sitzt mit gespitzten Ohren auf seinem Hinterteil. Dann rückt er etwas näher heran – und blitzschnell haut er der fauchenden Kreatur mit der rechten Tatze eine drüber. Die Schlange duckt sich wieder ins Grün, verschwindet. Mit den Vorderpfoten steigt der Kater aufs Blumenbeet, dann zieht er seine Hinterpfoten hinterher. Leise zischelt die Schlange noch vor sich hin, um anzuzeigen, sie sei noch da. Aber sie gibt nicht mehr an, provoziert nicht. Der Kater verliert sein Interesse, dreht ab. Denn im Innersten ist er ein Pazifist, wie auch seine Schwester Marie. Schließlich schlappt Helene, die Schlangenmörderin vom Vorjahr, ums Eck. – siehe Video dazu auf unseren Socialmedia Kanälen: https://www.facebook.com/griechenlandzeitung?locale=de_DE https://www.instagram.com/griechenland_zeitung?igsh=a2dwNmhvYmlsazly

Achtlos schlendert sie an der nun wieder vor dem Blumenbeet ruhenden Schlange vorbei zum Fressnapf. Sie wittern sich offenbar nicht. Sie respektieren sich, lassen sich in Ruhe, solange ihr Lebenskreis nicht bedroht ist. Das Leben ist lebensgefährlich, und die Natur ist ein Spektakel. Eine Krähe gibt noch ein Gastspiel auf der Terrasse, räubert etwas vom Trockenfutter der Katzen. Die nehmen es hin, dulden es, gesättigt und langmütig. Eine Hornisse nimmt ein paar Schlucke aus dem Wasserreservoir der Katzen. Dann ist der Mensch wieder allein. 

siehe Feuilleton GZ 978
(Griechenland Zeitung / Stefan Berkholz)

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