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Ouzo-Theorien in Kafenion oder Taverne

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Fotos (© Eurokinissi) Fotos (© Eurokinissi)

Man schwitzt sehr. Zum Glück ist die Mittagszeit für viele hier im Ort Erfrischungs- und Ouzo-Zeit. Man gönnt sich eine Pause von der Arbeit oder vom Nichtstun, hängt mit einer παρέα/paréa (Gesellschaft) einer Taverne oder in einem Kafenion ab – immer im Schatten. Der Eine oder Andere schließt sich der Gesellschaft an, man rückt die Stühle näher zusammen, gibt der Bedienung, in diesem Fall Eleni, die leergegessenen Tellerchen zurück.


„Zum Ouzo gehören Mezedes“, sagt Bauingenieur Panagiotis, ein Junggeselle, der täglich um diese Zeit in seiner Taverne am gleichen Tisch sitzt. Sein Mittagsmahl besteht aus den Häppchen, die zu seinen jeweils drei Ouzos gereicht werden. Sein Bauch legt sich leicht über den Gürtel seiner Arbeitshose. Das komme von den Mezedes, meint Panagiotis, doch was soll’s, dann bräuchte er nicht zum Kochen nach Hause! „Ha, von wegen von Oliven und Sardinen, das ist ein Ouzo-Bauch!“, mischt sich Makis ein. Der sitzt auch jeden Tag um diese Zeit hier, und am Abend ebenfalls. Als Dirk nach dem Tellerchen mit den frittierten Fleischbällchen (τηγανητά κεφτεδάκια/tiganitá keftedákia) greift, schnappt Makis ihm den Teller unter der Nase weg: „Kein Ouzo, kein Meze!“ Dirk macht seit über zwanzig Jahren jeden Sommer seinen dreiwöchigen Urlaub hier am Ionischen Meer. Den Ouzo trinkt er nur gegen Abend (απόγευμα/apógevma), der ganz nach seinem Gutdünken mal früher, mal später beginnt. In griechischen Landen werden Mezedes nur zu alkoholischen Getränken gereicht, doch um diese Zeit trinkt Dirk ausschließlich Coca Cola. „Genau, die Nichttrinker werden hier bestraft!“, sagt der Nürnberger, und langt nach den keftedákia. Über dem zweiten Ouzo beginnt Makis mit seiner Ouzo-Philosophie. „Man sollte zwei, höchstens drei Ouzo trinken, niemals mehr. Als Grieche betrinkt man sich nicht mit Ouzo! Wenn wir Griechen sagen ,πάμε για ούζο (Gehen wir auf einen Ouzo), dann meinen wir damit, dass wir einige gute Häppchen zu einem Gläschen Ouzo genießen wollen. Uns geht es dabei nicht ums Trinken!“ Behauptet er und bestellt prompt seinen vierten Ouzo! Dabei dient ihm sein Cousin, der sich eben zu uns gesetzt hat, als Vorwand. Schließlich reist Charis, der in Wien lebt, morgen ab. „Ouzo?“, fragt er ihn. „Nee, bin eben aufgewacht und brauch Kaffee! Ouzo trink ich eh nie um diese Zeit!“ – „Du lebst bereits zu lange in Wien und kennst dich mit den griechischen Traditionen nicht mehr aus! Als Grieche trinkt man Ouzo nur zur Mittagszeit, niemals am Abend!“ Panagiotis tunkt indessen ein Stück Weißbrot ins Tzatziki, bevor er seine eigene Ouzo-Philosophie vom Stapel lässt: Betrinkt man sich mit einem x-beliebigen Getränk wie Wein oder Bier, dreht sich einem bei geschlossenen Augen der Kopf im Uhrzeigersinn, betrinkt man sich jedoch mit Ouzo, so dreht sich einem der Kopf folgendermaßen … was er mit einer Bewegung seines Zeigefingers demonstriert, der wie ein Rad vor seinem Gesicht davonkreiselt. Ui, bei dieser ungewöhnlichen Theorie schwindelt mir beim bloßen Hinsehen. „Wisst ihr überhaupt“, sagt Makis, der bei uns allen als „ξερόλας (Neunmalkluger)“ berüchtigt ist, „wieso Ouzo weiß wird?“ Schweigen. „Wenn man Ouzo mit Wasser verdünnt, verbinden sich die ätherischen Öle der Anissamen mit den Wasserstoffmolekülen.“ – „Och, ich bestelle mir trotzdem einen Ouzo“, wirft Charis ein. „Trotz was, υπναρά (Schläfer)? Weil du bis μεσημέρι (Mittag) gepennt hast!“ – „Kennt ihr das Ouzo-Orakel?“, nuschelt Charis verschlafen. „Verrate nichts!“, rufe ich, denn ich kenne den Roman des deutschen Schriftstellers Frank Schulz, einen Mix aus humorvoller Fiktion und historischer mystery. Ein Buch, bei dessen Lektüre ich aus vollem Halse gelacht habe! In seinem Roman mit fiktiven Ortsnamen hat Schulz sich vom Dörfchen Ammoudia und dem im Nachbarort Mesopotamos gelegenen historischen Totenorakel inspirieren lassen. Ammoudia ist ein Fischerort in der Gemeinde Parga, in der Epirus-Region am Ionischen Meer. „Dieser vermaledeite Ouzo. Für den Rest des Urlaubs mach ich halblang, das schwör’ ich“, lautet eine Zeile im Roman. Ein uns vermutlich wohlbekannter, schwierig einzuhaltender Eid. Was es mit dem Orakel auf sich hat? Lassen Sie sich bei der Lektüre überraschen: an einem griechischen Strand, bei einem Ouzo! (Griechenland Zeiting / Linda Graf)


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