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Die Krise geht unter die Haut Tagesthema

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Die Krise geht unter die Haut

Fast das gesamte GZ-Team kommt jeden Tag mit der U-Bahn zur Arbeit ins Zentrum. Seit vergangenen Montag die Banken geschlossen sind und Kapitalverkehrskontrollen eingeführt wurden, sind die öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos. Ein schwacher Trost.

Auf der Fahrt ins Zentrum sah man heute Menschenschlangen vor den Banken –  das waren die Rentner, die jeweils nur 120 Euro von ihrer Rente erhalten; andere Schlangen bildeten sich vor den Geldautomaten (ATM). Offensichtlich weil Gerüchte im Umlauf sind, dass schon bald der Höchstbetrag auf 20 Euro pro Tag herabgesetzt wird.  In griechischen Medien ist die Rede davon, dass die Banken insgesamt nur mehr unter 800 Millionen Euro echtes Geld lagernd haben. Das reicht wahrscheinlich nur mehr für zehn bis fünfzehn Tage. Die Stimmung bei den Wartenden vor den ATM ist manchmal gelassen, kein Wort wird gesprochen. Doch immer wieder geraten auch Menschen aneinander. Natürlich dreht es sich dabei um das „Nein“ oder das „Ja“ beim Referendum am kommenden Sonntag. Da die gestellte Frage nicht mehr aktuell ist, geht es um etwas anderes: die Verfechter des „Nein“ vertreten die Ansicht, dass es um ein Ja oder Nein zur Sparpolitik gehe, und dass ein „Nein“ die Verhandlungsposition der griechischen Links-Rechts-Regierung mit den internationalen Gläubigern verbessern würde. Für die Gegenseite bedeutet ein „Ja“ ein „Ja“ zu Europa, ein „Ja“ zum Euro.

Und der Alltag, der schwierige, geht weiter. Der pensionierte Vater einer Mitarbeiterin der Griechenland Zeitung will heute vom Dorf auf der Peloponnes nach Patras fahren, um dort eventuell an die 120 Euro zu kommen. „Wenn es zu lange dauert, fahr wieder nach Hause. Warte nicht, bis Du umfällst“, rät die Tochter dem 83-Jährigen. Ihre Mutter sieht es gelassen: Aus dem kleinen Garten würden sie sich schon versorgen, und die Hühner legen ja jeden Tag Eier – „und mit dem Olivenöl und dem Wein kommen wir noch eine ganze Weile hin.“

Die Cousine einer weiteren Mitarbeiterin mit Namen Dimitra arbeitet in einem Supermarkt. Er war der einzige, der genug Reserven hatte, um im Juli seine Angestellten bar zu bezahlen. Und Dimitra berichtet auch, dass einige Lebensmittel schon Mangelware sind: Teigwaren, Reis, Hülsenfrüchte, Dosenbohnen – vieles einfach, was lange haltbar ist. Und die Lieferanten geben nur die Ware aus, die auch bar bezahlt wird, keine Packung Spaghetti mehr.

Der Privatwirtschaft  geht langsam die Luft aus, warnen Vertreter der griechischen Kammern. In einigen Bereichen könne die Versorgung nur noch für kurze Zeit aufrechterhalten werden. Der Verlust bei den Importeuren soll sich auf 1,2 Milliarden Euro belaufen. Denn sie können keine Waren mehr einführen und danach verkaufen.  Aber an wen denn auch?

Und die Firmen, mit denen die Griechenland Zeitung zusammenarbeitet, kommen auch in die Bredouille: Heute rief man uns aus der Druckerei an: „Könnt ihr uns diesmal bar bezahlen, damit ich meinen Mitarbeitern wenigsten einen Teil ihres Lohns auch bar bezahlen kann?“, fragte er. Konnten wir leider nicht.

Wenn Hellas nicht ein Dritt-Europa-Land werden soll, muss etwas geschehen. Und zwar jetzt!

(Griechenland Zeitung /rs; Foto: Eleni Kougionis)

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