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Zustand der Pressefreiheit in Griechenland: dringender Handlungsbedarf

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Unser Archivfoto (© Eurokinissi) zeigt Journalisten am Athener Syntagmaplatz. Im Hintergrund das Parlament. Unser Archivfoto (© Eurokinissi) zeigt Journalisten am Athener Syntagmaplatz. Im Hintergrund das Parlament.

Laut „Reporter ohne Grenzen“ ist die Pressefreiheit in Griechenland im Jahr 2022 die schlechteste in ganz Europa. In einem Online-Webinar begründete diese NGO ihre Entscheidung ausführlich.

Der World Press Freedom Index der NGO „Reporter Ohne Grenzen (Reporters sans frontiers, kurz RSF)“ bewertet jährlich die Situation der Pressefreiheit in allen Ländern der Welt und vergleicht diese in einem Ranking miteinander. Der diesjährige Index brachte ein schockierendes Ergebnis für Griechenland: Im Vergleich zum Vorjahr rutschte das Land von Platz 70 auf Platz 138 der 180 bewerteten Länder ab. Laut dieser Studie ist Griechenland nun das Land Europas mit der schlechtesten Situation in Bezug auf die Pressefreiheit – es liegt hinter Ungarn (Platz 85), Bulgarien (Platz 91), Albanien (Platz 103), deren Regierungen zum Teil sehr autoritär auftreten. Wie genau konnte das passieren? Um diese Frage zu beantworten, veranstaltete die „Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Griechenland & Zypern“ mit weiteren Unterstützern ein Online-Webinar. Eingeladen war Pavol Svalai, Leiter des EU/Balkan-Referats von RSF, um die Gründe für diesen massiven Abstieg in der Bewertung zu erklären. Diese Institution bewertet die Pressefreiheit jedes Landes anhand diverser Kriterien. In jedem davon seien im letzten Jahr für Griechenland gravierende Verschlechterungen zu bemerken gewesen, stellte der Experte fest.

Journalisten sind nicht sicher

Als „sehr schlimm“ stufte Svalai den Kontext für die Sicherheit der Journalisten im Land ein. Regelmäßig werde Polizeigewalt gegen Journalist*innen vermeldet, wodurch die Berichterstattung über Demonstrationen oder die Flüchtlingskrise auf den Inseln behindert werde. Eine niederländische Journalistin sei auf offener Straße angegriffen worden, was auf eine „Hetzkampagne“ regierungsnaher Medien auf sie zurückzuführen sei, nachdem sie einen hitzigen Wortwechsels mit Premierminister Mitsotakis über die Zurückweisung von Geflüchteten geführt habe.
Auch die Sicherheit der investigativen Journalisten sei „gefährdet”. Es gebe immer mehr „Fälle von Überwachung”, das sei „sehr besorgniserregend”. Zu oft etwa würden sich Berichte über inländische Gerichtsverfahren auf Polizeiberichte beschränken, anstatt eigene journalistische Recherche zu betreiben. Dies geschehe aus Selbstschutz der Journalist*innen. Auch die Ermordung des altgedienten Polizeireporters Giorgos Karaivaz im April 2021, der am helllichten Tage vor seinem Haus in Athen erschossen worden war, ist nach wie vor ungeklärt – trotz des Versprechens der Regierung, umfassende Ermittlungen einzuleiten.

Verbindungen zur politischen Elite

Betrachtet man die mediale Landschaft Griechenlands im Ganzen, falle auf, dass die überwiegende Mehrheit der Medien im Besitz einiger weniger Personen sei, die auch in anderen, stark regulierten Geschäftsbereichen tätig sind. Dadurch würden diese meist andere Hauptinteressen verfolgen, statt einen guten Journalismus zu garantieren. Außerdem hätten die meisten großen Medien enge Verbindungen zur politischen Elite.
Eine Nähe zur Regierung sei auch dadurch verstärkt worden, dass die meisten Medien durch die Finanzkrise und niedrige Leserzahlen in den letzten Jahren stark abhängig von öffentlichen Mitteln geworden seien. Für solche Fördermittel bevorzuge die Regierung besonders Medien, die ihnen sympathisch seien. Das Vertrauen der Bürger*innen in die Medien sei daher im Keller, da unsicher sei, ob die verbreiteten Nachrichten überhaupt noch objektiv seien.
Nicht erleichtert werde diese Situation etwa durch die griechische Rundfunkregulierungsbehörde (NCRTV), denn etwaige Beschwerden würden nur „langsam und ineffizient“ behandelt. Die derzeitige und die frühere Regierung habe es trotz regelmäßiger Appelle stets vertagt, die Arbeitsweise der NCRTV grundlegend zu ändern. Aktuell liege die Aufsicht über öffentliche Medien in den Händen des Regierungssprechers Jannis Ikonomou, der gleichzeitig Staatssekretär beim Premierminister für Kommunikation und Information ist: Redaktionelle Unabhängigkeit sei unter diesen Voraussetzungen nicht gegeben.

Offene Bedrohung der Pressefreiheit

Nicht zuletzt habe die Regierung im letzten Jahr die Pressefreiheit relativ ungehindert noch stärker eindämmen können: Getarnt hinter dem Vorwand der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie habe es eine Änderung im Strafgesetzbuch gegeben, wonach eine Haftstrafe von fünf Jahren für die Verbreitung falscher Informationen vorgesehen ist. Journalisten hätten mit dieser Bedrohung vor allem aber regelmäßig daran gehindert werden können, über regierungskritische Themen zu berichten. Das sei „ein klarer Verstoß gegen die internationalen Verpflichtungen Griechenlands und die europäischen Rechtsnormen, der eine ernsthafte Bedrohung für das Recht der Journalisten darstellt, Informationen im öffentlichen Interesse zu veröffentlichen“.
Unter dem Strich würden all diese beschriebenen Vorgänge zu einer Verschlechterung im soziokulturellen Kontext führen: Als eine Form des Protestes würden Aktivisten des extrem linken und des extrem rechten Spektrums regelmäßig griechische Medien angreifen, die sie als ideologische Feinde betrachten würden.

Erster Schritt der Verbesserung

Soweit der ernüchternde Bericht von Svalai, der nicht gerade optimistisch stimmt. Dennoch merkte er gegen Ende der Veranstaltung an, dass es „Grund zur Hoffnung“ gebe. Seinen Darstellungen zufolge habe die griechische Regierung die Problematik nun erkannt. Das sei schon einmal ein erster wichtiger Schritt. Man könne nur hoffen, dass nun auch wirklich Veränderungen im Pressesystem des Landes angestoßen würden. Im Namen von RSF signalisierte Svalai die Bereitschaft, dabei unterstützend mitzuwirken. „Falls gewünscht, werden wir mit allen unseren Mitteln helfen, denn eine Sicherung der Pressefreiheit ist auch in unserem Interesse.“

(Griechenland Zeitung / Leon Zorn und Tabea Lechner)

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