In der Nationalgalerie in Athen hat sich am Montag ein bisher beispielloser Zwischenfall abgespielt. Ein Volksvertreter hat in einem Ausstellungsraum – „in religiöser Empörung“, wie er erklärte – drei Bilder von der Wand gerissen und demoliert. Zuvor hatte er sich bei dem Kulturministerium über diese Kunstwerke beschwert. Kritiker sprechen von versuchter „Zensur“.
Der Parlamentarier der patriotischen Partei „Niki“ (Sieg) Nikos Papadopoulos hat am Montag (10.3.) Kunstwerke, die in der griechischen Nationalgalerie in Athen ausgestellt wurden, von den Wänden gerissen und beschädigt. Eigenen Aussagen zufolge habe er die gezeigten Werke als Gotteslästerung empfunden. Medienberichten zufolge sei der im rechten politischen Rand einzuordnende Volksvertreter in einer Art „Amok-Zustand“ in die Galerie gestürmt und habe die Exponate zu Boden geworfen, weil damit seine Religion „beleidigt“ worden sei.
Am Montag (10.3.) vor der Nationalgalerie
Heiligen-Beleidigung
Der Parlamentarier wurde daraufhin in den Räumlichkeiten der Nationalgalerie für mehrere Stunden festgehalten, bis die Staatsanwaltschaft die Entscheidungen getroffen hat, ihn auf freien Fuß zu setzen. Nun soll das Parlament über eine mögliche Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität entscheiden. Sein Rechtsanwalt warf den Ordnungshütern eine „illegale Festnahme“ vor. Wie in einem „diktatorischen Regime“ habe man damit „gegen die Verfassung“ verstoßen, wetterte er.
Im Fernsehen erklärte Papadopoulos anschließend, das er nicht vorhatte, die Kunstwerke zu beschädigen; er habe diese jedoch auch nicht hängen lassen können, „damit sie nicht von Kindern gesehen werden“. Jene Kunstwerke, die dem rechtspopulistischen Parlamentarier besonders missfallen haben, zeigen etwa ein entstelltes Antlitz Christi, der Gottesmutter und des Heiligen Georg.
In den Sozialen Medien hatte der Parlamentarier die amtierende Regierung der konservativen Nea Dimokratia obendrein als die „respektloseste, die es je gegeben hat“ bezeichnet. „Brutal beleidigt“ würden mit dieser Ausstellung „die heiligen Bilder der orthodoxen gläubigen Christen, die wir verehren und denen wir folgen“.
In der Nationalgalerie
Vor dem Zwischenfall in der Nationalgalerie hatte sich der Parlamentarier bereits beim Kulturministerium über die besagte Ausstellung beschwert. Kulturministerin Lina Mendoni habe mit der Bemerkung reagiert, dass das Ministerium die Kunst „nicht zensieren“ könne.
Religiöse Empörung
Bei den in der Nationalgalerie gezeigten Werken handelt es sich um eine Doppelausstellung. Zu sehend sind einerseits 80 Gravuren des spanischen Malers und Grafikers Francisco de Goya, die zwischen 1793 und 1799 entstanden. Bekannt wurde dieser berühmte Zyklus unter dem Namen „Los Caprichos“. Mit Bezug auf Goya werden außerdem Werke griechischer Künstlerinnen und Künstler wie etwa Angelos Andonopoulos, Jannis Gaitis, Christoforos Katsadiotis, Silia Daskopoulou und Marianna Ignataki gezeigt. Diese ergänzende Exposition trägt den Titel „Der Reiz des Seltsamen – Zwischenraum“; eine Hommage an die griechische Kunst, inspiriert von Goya.
Am Eingang
Die Partei Niki – voller Titel: Demokratische Patriotische Bewegung – ließ nach dem Vorfall wissen, dass Papadopoulos eigenständig gehandelt habe. Er werde nicht aus der Partei ausgeschlossen, da er im Zuge einer religiösen Empörung gegen „unheilige, monströse und gotteslästerliche Gemälde“ eingeschritten sei. Parteichef Dimitrios Natsios stellte an Kulturministerin Mendoni die Frage, ob das Ministerium Kunstwerke ausstellen würde, wenn damit etwa „die Religion der Muslime oder der Juden beleidigt werde“.
Auch der Metropolit von Korfu hatte sich negativ über die Ausstellung in Athen geäußert und diese als „antichristlich“ beschrieben. Diese „Art von Kultur“ verglich er mit einem „Müllcontainer“.
Vor der Nationalgalerie
„Menschenfeindlich und gefährlich“
Aus den Reihen der sozialdemokratischen Oppositionspartei PASOK wurden der „Vandalismus“ und „die Zerstörung von Ausstellungsstücken“ durch Papadopoulos stark kritisiert. Dass diese die „Religion beleidigen“, sei nur eine Ausrede. Zusammengefasst wurde: „Jede Aktion, die darauf abzielt, Kunstwerke zu zensieren oder zu zerstören, ist ein Angriff auf die Demokratie, Kultur und Gedankenfreiheit.“
Das Linksbündnis SYRIZA stellte fest: „Die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks ist für eine demokratische Gesellschaft von grundlegender Bedeutung und nicht verhandelbar.“ Die Neue Linke vertrat die Ansicht, dass die Partei Niki „ihr wahres Gesicht gezeigt“ habe: menschenfeindlich und gefährlich für die Demokratie und die Kultur.
Der Abgeordnete Papadopoulos stammt aus der nordgriechischen Metropole Thessaloniki, wo er Medizin studiert hat. Spezialisiert hat er sich auf die Thorax-, Herz- und große Gefäßchirurgie. Als Arzt ist er Mitglied lokaler und internationaler Organisationen. Das Amt des Parlamentariers hat er seit 2023 inne.
(Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)