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„Individualistisch und unzufrieden“ – eine Jugendstudie 2024 für Griechenland Tagesthema

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Unser Foto (© Griechenland Zeitung / em) entstand auf dem Diskussionsabend der Friedrich-Ebert-Stiftung im Impact Hub Athen Unser Foto (© Griechenland Zeitung / em) entstand auf dem Diskussionsabend der Friedrich-Ebert-Stiftung im Impact Hub Athen

Zum ersten Mal beleuchtet die Jugendstudie der Friedrich-Ebert-Stiftung Einstellungen, Sorgen und Zukunftspläne junger Menschen in Griechenland. Darin wird erläutert, inwiefern Jugendliche am politischen Leben teilnehmen, sich aber dennoch ungehört fühlen.

Die Studie bietet Einblicke in eine Generation zwischen Selbstbestimmung, Unsicherheit und dem Wunsch nach gesellschaftlicher Teilhabe.
Vergangene Woche wurde im Impact Hub Athen die „Jugendstudie 2024 für Griechenland“ von den beiden Autorinnen Manina Kakepaki und Katerina Iliou vom Nationalen Zentrum für Sozialforschung (EKKE) vorgestellt. Diese Studie ist ein Projekt der Friedrich-Ebert-Stiftung in Zusammenarbeit mit EKKE. Es handelt sich dabei um einen Teil einer länderübergreifenden Studienreihe, die die Lebenslage junger Menschen im Alter von 14 bis 29 Jahren untersucht. Neben Griechenland nahmen u. a. auch Albanien, Bulgarien, Kroatien, Rumänien und die Türkei daran teil. Insgesamt wurden rund 9.000 Jugendliche befragt, darunter 1.000 in Griechenland. Die Ergebnisse basieren auf Online-Interviews, die im Zeitraum von Februar bis März 2024 durchgeführt wurden.

Zwischen Ambition und Frustration
Viele junge Griechinnen und Griechen blicken zuversichtlich auf ihre persönliche Zukunft – doch gleichzeitig äußert fast die Hälfte (49 %) tiefe Skepsis gegenüber der Entwicklung des Landes. Besonders große Sorgen bereiten das Gesundheitssystem, die Arbeitslosigkeit und unzureichende Sozialleistungen.
Die Studienautorinnen betonten, dass sich in Hellas zwar eine Mehrheit der Befragten zur Demokratie bekenne, viele sich aber nicht politisch vertreten fühlten. Ein Großteil der Griechen könne sich sogar einen „starken Anführer, der Lösungen verspricht“ für Griechenland vorstellen, bemerkte Ema Smolo-Zukan (Vertreterin FES in Sarajevo).

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Konstantinos Gloumis-Atsalakis, Generalsekretär für Demografie und Wohnungspolitik, war ebenfalls vor Ort.

 

Politisches Interesse – aber wenig Vertrauen
Ein zentrales Ergebnis der Studie: Jugendliche in Griechenland interessieren sich durchaus für politische Themen – insbesondere für soziale Gerechtigkeit, Bildung oder Geschlechtergleichheit – das zeige die vergleichsweise hohe Wahlbeteiligung. Doch das Vertrauen in Parteien und Institutionen sei gering. Stattdessen suchten viele junge Menschen nach anderen Wegen der Teilhabe, etwa über Social Media, durch zivilgesellschaftliches Engagement oder durch Beteiligung an Demonstrationen.
Auffällig sind auch geschlechtsspezifische Unterschiede: Männer zeigen sich laut Manina Kakepaki stärker an klassischer Politik interessiert, während Frauen häufiger persönliche und gesellschaftliche Themen wie Gleichstellung oder soziale Sicherheit betonen.
Stefanos Parastatidis, Parlamentarier der PASOK, plädierte während der Diskussion für eine stärkere Einbindung der jungen Generation in demokratische Prozesse: Die Demokratie müsse so verbessert werden, dass sie in Zukunft eine Lebensentscheidung sei.

Wunsch nach Unabhängigkeit
Auch im Alltag sehen sich viele junge Griechen mit Hürden konfrontiert. Nur 14 % der befragten Jugendlichen leben dieser Erhebung zufolge in einem eigenen Haushalt. Die überwiegende Mehrheit wohnt hingegen bei den Eltern – aus finanziellen Gründen, nicht aus Bequemlichkeit. Der Wunsch nach Unabhängigkeit ist jedoch deutlich vorhanden: Für 64,1 % der Befragten hat Eigenständigkeit einen hohen Stellenwert.
Auch wenn die Beziehung zu den Eltern meist als positiv beschrieben wird (über 90 % sprechen von einem harmonischen Verhältnis), zeigt sich: Der Schritt in ein selbstbestimmtes Leben scheitert häufig an ökonomischen Realitäten.
Traditionelle Werte wie Familie oder Bildung haben dennoch für viele weiterhin eine hohe Bedeutung, doch auch patriotische Haltungen sind verbreitet: Die Mehrheit identifiziert sich stark mit der griechischen Kultur und betont deren Schutzbedürftigkeit.

Eine Generation im Wandel
Regine Schubert, Leiterin der FES in Athen, verwies in ihren Ausführungen auf die Bedeutung demokratischer Teilhabe: „Demokratie braucht junge Stimmen – und junge Menschen müssen spüren, dass ihre Stimmen gehört werden“.
Die Autorinnen der Studie forderten Politik und Gesellschaft dazu auf, die Anliegen junger Menschen ernst zu nehmen. Denn obwohl viele Jugendliche individualistisch denken und sich mit gesellschaftlichen Institutionen wenig identifizieren würden, bestehe ein klares Bedürfnis nach Mitsprache, Sicherheit und Perspektiven. Die Ergebnisse der Studie würden deutlich machen, dass sie bereit seien sich einzubringen, wenn man ihnen den Raum dazu gebe.

(Griechenland Zeitung / Emily Marneth)

 

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