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Von der Schönheit und vom Verzehr von Sepien

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Archivfoto (© Griechenland Zeitung / jh): Sepien schmecken auch mit Spinat und Fenchelkraut zubereitet köstlich! Archivfoto (© Griechenland Zeitung / jh): Sepien schmecken auch mit Spinat und Fenchelkraut zubereitet köstlich!

Oktopusse, Sepien und Kalmaren. Alle gehören der Artengruppe der Tintenfische an, wobei außer dem Oktopus mit acht Fangarmen – οκτώ bedeutet auf Griechisch acht – alle übrigen Tintenfischarten zehn Fangarme haben.

Seit gestern, als mein Interesse beim Anblick eines frischen Fangs von Sepien für das Aussehen und Verhalten dieser eigenartigen Wesen in ihrem natürlichen Lebensraum schlagartig geweckt wurde, wird mir ihr Verzehr fortan schwer fallen. Als Griechenlandliebhaber weiß man, wie ein Oktopus aussieht, doch bisher wusste ich nicht so recht, wie Sepien aussehen. Und dass die Kopffüßer mit ihrem gestreiften Gehäuse faszinierende Tiere in den Tiefen des Meeres sind – fast wie Fabelwesen. Auch erfahre ich beim Googeln, dass sie verspielt, intelligent und lernfähig sind, dazu Magier der Tarnung. Mit zwei antennenartig vor sich ausgestreckten Fangarmen und großen Augen scannen die Tiere ihr Umfeld und kommunizieren mit sich einander berührenden Fangarmen untereinander. Mit dem einzig bei Tintenfischen vorhandenen Organ, dem Tintenbeutel, setzt das Tier ein Wehrsekret gegen seine Feinde ein, wobei der braun- bis grauschwarze Farbstoff eine Wasserwolke bildet, in der der Kopffüßer unsichtbar wird und sich in Sicherheit bringen kann. Unser Freund Jannis, eine zutiefst gastfreundliche Seele, betreibt gemeinsam mit seiner Schwester Vasso eine Taverne an den Küsten des Ambrakischen Golfs. Jannis macht sich stets eine Freude daraus, uns mit lokalen Delikatessen zu verköstigen. „Έλα“ (in etwa: „Komm her!“), ruft er mich von der Tür aus in die Küche und in die Grillstube, damit ich ihm bei der Zubereitung des Tintenfischs zusehen kann. Zur Reinigung liegt der frische Fang, an die zwanzig Sepien, in einem großen Waschbecken. Im ersten Moment versetzt mir der Anblick ihrer unerwartet zugleich menschlich und traurig aussehenden Augen einen Schock, den ich aus Respekt vor Jannis’ verberge. Bei der Zubereitung reinigt er drei Sepien unter fließendem Wasser, nimmt sie aus, schneidet die Augen und jeweils eine pingpongballähnliche Kugel heraus. „Das ist der Mund“, erklärt mir Jannis, der aufgrund der Zähne, beziehungsweise des scharfen Schnabels, nicht zum Verzehr geeignet ist. Nun kommen die Sepien über glühenden Kohlen für wenige Minuten auf den Grill. Dann schmeckt Jannis den Tintenfisch mit Salz, Olivenöl, einer Prise Oregano und Zitronensaft ab, schneidet die Speise in mundgerechte Streifen und setzt sie uns vor. Dazu trinken wir Ouzo. Draußen ist es bereits dunkel. Da hilft es nicht, dass wir uns vor jedem Besuch bei unserem Tavernenwirt vornehmen, vor Einbruch der Dunkelheit zur Rückfahrt aufzubrechen. Jannis ist ein wunderbarer Gastgeber und Gesellschafter, der uns immer dann, wenn wir nach der Rechnung fragen, weitere Delikatessen auftischt. Diesmal sind es dicke Bohnen aus dem Garten und eine lokale Speise aus Paliampela: mit Fetastückchen und Zwiebeln vermengtes und im Ofen gebackenes Maismehl. Und, als wir bereits zum vierten Mal um die Rechnung bitten, ruft Jannis mich, wie schon erzählt, ans Waschbecken mit den Sepien. Er will uns nicht gehen lassen, und das Schöne daran ist: Wir bleiben sitzen und wollen nicht gehen. Als wir den Schlüssel dann endlich ins Zündschloss stecken, ist es wie immer viel später als wir uns vorgenommen hatten. Und wie immer winken Jannis zum Abschied zu. Denn er bleibt immer draußen im Dunkeln stehen, bis wir ihn nicht mehr sehen können. (Griechenland Zeitung / Linda Graf)

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