Login RSS

EU-Studie stellt die Pressefreiheit in Griechenland an den Pranger Tagesthema

  • geschrieben von 
Archivfotos (© Eurokinissi) Archivfotos (© Eurokinissi)

Eine europäische Studie über die Pressefreiheit kam in dieser Woche an die Öffentlichkeit, worin die Unabhängigkeit der Medien und journalistischen Berichterstattung in Frage gestellt wird. Der Regierung wird vorgeworfen, deren Arbeit zu erschweren.

Premierminister Kyriakos Mitsotakis habe eine „regelrechte Manie mit der Kontrolle der Information“. Das stellte Oppositionschef Alexis Tsipras vom Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) in dieser Woche nach der Veröffentlichung einer Studie des in Leipzig basierenden Projektes Media Freedom Rapid Response (MFRR) fest. Tsipras, der von 2015 bis 2019 das Land regierte, fügte hinzu, dass jegliche kritische Stimme in Hellas zum Schweigen gebracht werde. Dies sei mittleiweile auch in ganz Europa deutlich geworden. Die amtierende konservative Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) verwandle Griechenland „in ein problematisches Land für die Pressefreiheit und die Demokratie“.

220330 Pressefreiheit 2 SMALL

„Beleidigung für die Presse“
Regierungssprecher Jannis Ikonomou wies dies entschieden zurück. Seiner Ansicht nach beleidige Tsipras durch derartige Statements „sowohl die griechische Presse als auch deren Mitarbeiter“. Nach Ansicht von Ikonomou suche der Oppositionschef erneut „Rettung durch Lügen“. Der Sprecher verwies darauf, dass die Pressefreiheit in Hellas in der Verfassung festgeschrieben sei. Der Pluralismus und die Redefreiheit seien in Griechenland „Alltagspraxis“. Ikonomou fügte hinzu, dass jeder Bürger „die Möglichkeit hat, sich frei von demjenigen Medium informieren zu lassen, das er sich auswählt“.
SYRIZA konterte auf diese Feststellungen mit Spott: Die Bürger des Landes müssten wohl noch froh darüber sein, dass sie „Zugang zu Medien ihrer Wahl haben“. Vor allem kritisierte das Linksbündnis aber, dass sich die Regierung nicht dazu geäußert habe, dass Hellas auf internationalen Listen stehe, in denen ein Defizit an Demokratie ausgewiesen werde.
Bei den Recherchen für die Studie über die „Herausforderung für unabhängige Berichterstattung in Griechenland“ arbeitete MFRR mit mehr als dreißig lokalen Interessensgruppen sowie mit den Reportern ohne Grenzen und weiteren Institutionen zusammen. Man kam zum Ergebnis, dass „die Unabhängigkeit der Medien und die Sicherheit der Journalisten“ eine „systemische Stufe“ erreicht hätten. Derartige Probleme seien zwar nicht einzigartig, ihre Intensität sei jedoch höchst problematisch, so das Fazit von MFRR. Dabei machen die Verfasser des Berichts darauf aufmerksam, dass Meldungen die „unbequem oder unvorteilhaft für die Regierung“ seien, in vielen Medien erst gar nicht erscheinen würden. Dies betreffe etwa die Migrationspolitik, die Verletzung von Menschenrechten und eine humanitäre Krise, die durch den Flüchtlingsstrom verursacht worden sei. Dies sei eine große Hürde für den Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen und für die Teilnahme am demokratischen Prozess.

Gefahr der Selbstzensur
MFRR kommt zur Einschätzung, dass sich diese Situation bereits seit dem Beginn einer zehn Jahre anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise herausgebildet habe. Seit der Amtsübernahme durch die ND im Jahr 2019 habe dies jedoch einen neuen Höhepunkt erreicht.
Als einer der gravierendsten Fälle wurde die Ermordung des Polizeireporters Jorgos Karaivaz im April vor einem Jahr angeführt. Die Ermittlungen würden extrem langsam verlaufen und es mangle an fundamentaler Transparenz. Ein weiteres Problem sei die Berichterstattung über Kundgebungen, wo Journalisten unter unzureichendem Schutz arbeiten müssten. Letztendlich würden auch „juristische Drohungen“ die Pressefreiheit in Hellas in Mitleidenschaft ziehen. Bezogen ist dies auf ein Gesetz, das die Verbreitung von Fake News verbietet, ohne jedoch ins Detail zu gehen, wodurch die Auslegung recht willkürlich sein kann. Durch solche Praktiken würde die Selbstzensur gestärkt, heißt es im Bericht des MFRR.

220330 Pressefreiheit 3 SMALL

Ungleiche Behandlung
Unter Berufung auf die international tätige Nichtregierungsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ verglich das paneuropäische Nachrichtenportal Euractiv die Pressefreiheit in Hellas mit derjenigen in Ungarn. Zudem sei ein „politischer Wille“ spürbar, die Pressefreiheit „weiter zu reduzieren“. Vor allem auch würden Journalisten und Medien, die ideologisch auf der Seite der Opposition stünden oder neutral seien, von der Regierung ungleich behandelt, wodurch deren journalistische Aktivitäten untergraben würden, stellte Euraktiv weiterhin fest.
Die englischsprachige Wochenzeitung Politico, die jeden Donnerstag in Brüssel erscheint – auch Politico Europe genannt – schreibt auf ihrem Internetportal: „Die Unabhängigkeit der Medien und die Sicherheit der Journalisten in Griechenland sind in größerer Gefahr als in den meisten anderen EU-Ländern.“ Zitiert wird dabei eine Umfrage des deutschen Think Tanks der Friedrich Naumann Stiftung wonach acht von zehn Griechen der Ansicht sind, dass die Medien von der Regierung oder den politischen Parteien kontrolliert werden. Außerdem vertreten zwei Drittel der Befragten die Ansicht, dass die griechischen Medien Fake News verbreiten würden. Eine weitere Erhebung des griechischen Think Tanks Eteron ergab Politico zufolge, dass nur 10,7 % der griechischen Bevölkerung den inländischen Medien Vertrauen schenken würden. (Griechenland Zeitung / Elisa Hübel) 

Nach oben

 Warenkorb