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Griechisches Parlament verabschiedet umstrittenes neues Asylgesetz Tagesthema

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Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt eine Protestversammlung vor dem griechischen Parlament am Donnerstag (31.10.). Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt eine Protestversammlung vor dem griechischen Parlament am Donnerstag (31.10.).

Ein neues Asylgesetz wurde am Freitagmorgen (1.1.) vom griechischen Parlament mit deutlicher Mehrheit (180 von 300 Stimmen) verabschiedet. Nach einer heftigen Debatte, die am Donnerstag begann, segneten die Abgeordneten der Regierungspartei Nea Dimokratia und der oppositionellen sozialdemokratischen KINAL-Partei die Gesetzesnovelle ab. Zentrale Anliegen der neuen Regelungen sind u. a. eine Beschleunigung der Asylverfahren, eine Steigerung der Rückführungen abgelehnter Asylbewerber sowie eine schärfere Trennung zwischen Flüchtlingen und Migranten.


Der Vorstoß im Asylrecht kann auch als Reaktion der Regierung auf erneut steigende Zahlen von Geflüchteten gewertet werden, die von türkischem Territorium aus nach Griechenland gelangen. Gleichzeitig wird in Umfragen das Management der Flüchtlingsfrage als „Achillesferse“ der Regierung angesehen.
Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis versuchte jedenfalls im Parlament, humanitäre Grundsätze sowie Sicherheitsaspekte unter einen Hut zu bringen: „Kein Leben darf mehr in der Ägäis verloren gehen, aber es darf auch kein Flecken unseres Meeres unkontrolliert bleiben“, sagte er. Das Gesetz sieht etwa eine verstärkte Überwachung der Seegrenze, z. B. mit Hilfe von Thermalkameras, vor.

Spezialprogramm für unbegleitete Minderjährige

Eines der Hauptanliegen des neuen Gesetzes des Bürgerschutzministeriums ist die Vereinfachung der Asylverfahren. Die Höchstdauer für eine Entscheidung soll von neun auf sechs Monate verkürzt werden, Priorität genießen dabei Familien und Kinder. Diejenigen, deren Status als Geflüchtete anerkannt wird, sollen innerhalb von sechs Monaten nach dem Verfahrensabschluss Zugang zu Bildung, Arbeit und Sozialleistungen erhalten. In Zusammenhang mit Minderjährigen kündigte Mitsotakis ein Sonderprogramm für 5.000 unbegleitete Jugendliche an; derzeit würden nur 1.200 von ihnen eine rudimentäre Versorgung in organisierten Unterkünften erhalten.
Personen, die nicht direkt nach Ankunft einen Antrag stellen, oder straffällig werden, verwirken nach dem neuen Gesetz ihr Recht auf Asyl. Mitsotakis nahm in diesem Punkt kein Blatt vor den Mund: „Jene, die um Asyl ansuchen, aber die Regeln unseres Landes mit Füßen treten, haben keinen Platz in unserer Heimat“.
Eine bemerkenswerte Änderung ist auch die Abschaffung der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als Kriterium für besondere Schutzbedürftigkeit. Der Regierungschef begründete dies damit, dass die PTBS „schwer zu diagnostizieren“ sei und von Migranten zu oft „fälschlicherweise angegeben“ werde.

Nachteile für Geflüchtete

Während der Premierminister überzeugt ist, dass Griechenland nun „endlich ein klares und funktionales Asylrecht“ erhalte und seine Gesetzesinitiative die adäquate Antwort eines demokratischen Rechtsstaates auf diese Problematik sei, sieht ein Großteil der Opposition in dem Gesetz einen populistischen und ineffektiven Versuch, die großen Migrationsfragen auf nationaler Ebene zu lösen. Alexis Tsipras, ehemaliger Premier und Vorsitzender der SYRIZA, warf der Regierung vor, dass sich mit den neuen Maßnahmen die Bedingungen für Geflüchtete noch verschlimmern würden. „Wir sehen schon jetzt Notfälle, in denen Menschen der Zugang zu medizinischer Versorgung verwehrt werden soll“, erklärte Tsipras. Zudem lenke man die Aufmerksamkeit auf die Migration, um hier scheinbar kurzfristige Lösungen anzubieten. Das eigentliche Problem, so der Ex-Premier, liege aber in dem außenpolitischen Verhalten der Türkei und der passiven Haltung Griechenlands.
Der Vorsitzende der kommunistischen KKE Dimitris Koutsoumbas äußerte große Zweifel an den Erfolgsaussichten der neuen Regelungen. Griechenland werde im Falle ihrer Umsetzung mit „vollen Gefängnissen“ konfrontiert sein, „in denen Menschen ohne Papiere und Rechte sitzen“. Koutsoumbas wies darauf hin, dass man in der Praxis viele der abgelehnten Asylbewerber nicht werde abschieben können. Zudem befürchtet er durch die Maßnahmen eine Zunahme fremdenfeindlicher Tendenzen in der Bevölkerung.

Hilfsorganisationen sehen Rückschritt

Auch außerparlamentarisch regte sich Widerstand. Vor der Debatte hatten 15 Organisationen die griechischen Abgeordneten dazu aufgefordert, gegen den neuen Gesetzentwurf zu stimmen. Ihrer Ansicht nach stelle er einen „Rückschritt“ dar und würde die Rechte von Antragstellern für Asyl beschneiden. Unter den Organisationen waren u. a. die „Ärzte der Welt“ und das griechische Flüchtlingsforum.
Im Vorfeld hatte auch „Human Rights Watch“ Bedenken geäußert. Die von der Regierung vorgesehenen beschleunigten Verfahren würden die Gefahr von unqualifizierten und ungerechten Entscheidungen in sich bergen und damit einen Einschnitt in das universelle Recht auf ein ordentliches Asylverfahren darstellen.
(Griechenland Zeitung / jor)

 

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